Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Zeigefinger ihres Turms in die Luft. Die Festung Hohenneuffen lag wie ein beschädigtes Gebiss auf einem Hügel am Horizont. Über Kirchheim ballten sich die nächsten Regenwolken zusammen.
Gianluca hatte sie gegen Mittag zu einer kleinen Spritztour abgeholt, als Emine gerade mit Leander zum Einkaufen aufgebrochen war. Eigentlich wusste Leonie ganz genau, was sie wollte. Aber wie sollte sie es bei so viel geballter Männlichkeit nur schaffen, mit ihm Schluss zu machen?
Sie hielten auf dem Wanderparkplatz oberhalb der Ortschaft Owen und stellten den schwarzen Porsche Cayenne unter den Bäumen ab. Bei dem wechselhaften Wetter hatte sich nur noch ein einziges weiteres Auto hierher verirrt. Leonie fröstelte in der kühlen Luft und knöpfte die Strickjacke über ihrer weißen Bluse zu.
Der Weg wand sich in Serpentinen durch den Mischwald hinauf zur Burg Teck. Ein Windzug bewegte die Blätter und ließ einen Schauer Wasser auf sie niederrieseln. Unwillkürlich dachte Leonie an Laura Cortese. Wie es ihr wohl heute ging? Sie nahm sich vor, gleich nach ihrer Rückkehr in der Klinik anzurufen.
»Komm!«, sagte er, griff nach ihrer Hand und zog sie in den Wald hinein, der sich steil den Hang hinaufzog. Abseits vom geschotterten Weg war der Waldboden feucht und roch nach Humus. Mit ihren Ballerinas sackte Leonie bei jedem Schritt ein bisschen in die schwarze Erde ein, die einen Belag aus alten Blättern trug.
»Ich war ewig nicht mehr hier«, sagte sie, während sie den Hang hinaufstiegen. »Als ich klein war, sind wir fast an jedem Wochenende auf die Alb gefahren. Wandern und Burgen schauen. Mein Vater hatte seine Botanisiertrommel mit dabei und Mam ihren Aquarellkasten. Meine Schwester ist immer bei Papa geblieben und hat ihm beim Pflanzensammeln geholfen. Ich bin meistens auf die Suche nach Höhlen gegangen. Einmal hab ich eine gefunden und bin ihnen aufs Übelste abhanden gekommen. Paps wollte mich schon von der Bergwacht suchen lassen.«
»Gut, dass du wieder aufgetaucht bist.« Seine Hand war warm und fest. Als er sie küsste, verlor die Welt an Bedeutung.
»Die Knöpfe.« Er lachte und verhedderte sich an der Vorderseite ihrer Bluse. Aber schließlich hatte er drei oder vier gelöst, streifte das Kleidungsstück zur Seite, ließ die Träger ihres BHs über ihre Schultern gleiten und griff nach ihren Brüsten. Er stöhnte. »Wie kann man nur so wunderschön sein.« Irgendwo knackte ein Ast.
»Nicht«, sagte sie und löste sich vorsichtig von ihm. Als sie aufschauten, stand ein Reh zwischen den Bäumen und schaute sie aus großen Augen an.
»Hast du gedacht, das wäre eine Frau mit Kopftuch und Gummistiefeln? Für Pilzsammler ist es noch zu früh.« Gianluca lachte, und das Reh rannte mit großen Sprüngen den Hang hinab.
»Hast du mich deshalb abgeholt?«, fragte sie.
»Um dir an die Wäsche zu gehen? Na ja … eigentlich wollte ich mit dir reden.«
»Ich auch mit dir«, sagte sie.
Er legte seine Hände auf ihren Rücken und zog sie wieder an sich. Durch den Stoff seiner Jeans spürte sie seine Erektion.
Plötzlich waren seine blaugrünen Augen hart wie Saphire. »Eigentlich wollte ich mich von dir trennen. Aber nicht mal das schaffe ich. Am liebsten würde ich dich auf dem Waldboden flachlegen.« Er schüttelte den Kopf über sich selbst und schaute nach oben, wo weit über ihnen ein Raubvogel am Himmel stand und plötzlich wie ein Blitz ins Tal schoss. Licht tropfte durch das Blätterdach auf den Boden wie gelbe Farbe. Als Gianluca den Kopf senkte, stand zwischen seinen Augenbrauen eine steile Falte. »Ich darf mich nicht mit dir treffen, aber ich kann auch nicht von dir lassen. Darum muss ich mir sicher sein.«
Da war sie wieder, die Dunkelheit, die sich zwischen sie schob und ihn von ihr fortzog.
»Was fühlst du für mich?«, fragte er und schaute sie prüfend an.
»Ich weiß es nicht.« Sie kam sich schäbig vor. »Im Bett ist es wunderschön mit dir.« Sie streckte ihre Hand aus, schob sie unter sein Poloshirt und spürte die Gänsehaut auf seiner Brust.
»Das reicht nicht. Was bedeutet dir dieser … Fabian?«
Leonie zögerte. Noch immer war sie sich ihrer Gefühle nicht sicher, weder für den einen noch für den anderen. »Du musst ihn nicht als Konkurrenten ansehen. Ich habe ihn erst vor zwei Wochen wiedergetroffen.«
Er schaute auf sie herunter und lachte. »Ich bin Süditaliener. Kalabrese. Ich töte meine Rivalen.«
Leonie zuckte zusammen. »Das meinst du nicht ernst.«
Er lachte.
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