Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Trauben über die Ohren hängen. Hatte Leandros Mutter nicht gesagt, dass er dem Gott des Weines ähnlich sah, den ein Maler aus alter Zeit auf sein Bild gepinselt hatte? Seinen Namen hatte er vergessen.
»Alessio ist mein Cousin«, sagte Gianluca leise und musterte die Frau. Wie hieß sie gleich? Leonie. »Der Sohn meines Onkels Giorgio Cortese.«
»Aber du heißt nicht Cortese?«, stellte sie überflüssigerweise fest.
»Nein. Mein Vater Clemente Battista war mit seiner Schwester Rosaria verheiratet. Er lebt nicht mehr, und meine Mutter führt derzeit das Weingut von Onkel Alberto.«
Sie nickte und biss sich auf die Lippen. Kain betrat den Raum und stellte den Getränkekorb mit so viel Schwung auf den Boden, dass die Flaschen klirrten. Er trug wie immer ein Muscle-Shirt, unter dem sich seine Armmuskeln abzeichneten. Beiläufig streifte er den Tisch und stieß dabei wie zufällig Alessios Wasserglas um, dessen Inhalt sich über Leonies Rock ergoss.
»Kain, du Arsch!«, schrie er und wäre ihm beinahe an die Gurgel gesprungen.
Leonie wurde so weiß wie die Wand. »Kain«, sagte sie leise.
55.
Fabian wollte gerade in seinen wohlverdienten Feierabend verschwinden, als das Telefon klingelte. Keller, der rangegangen war, hielt ihn mit einer Geste zurück. Nachdenklich legte sein Chef nach einer Weile den Hörer auf. »Das Krankenhaus. Die Frau, die gestern vom Rettungsdienst nach einem Selbstmordversuch gefunden wurde, ist Laura Cortese«, sagte er.
»Was?«
Sie hatten die Meldung zwar angenommen, den Zusammenhang aber nicht hergestellt, denn der Rettungsdienst hatte keinen Namen angegeben. Fluchend warf er seine Jacke auf den Stuhl zurück. »Ist sie schon vernehmungsfähig?«, fragte er. Keller legte seine Finger aneinander. »Bei Bewusstsein ist sie. Du kannst es ja mal versuchen.«
»Kümmerst du dich um den Durchsuchungsbefehl bei diesem italienischen Schlitzohr? Für die Firma und das Haus?«
»Spätestens morgen liegt er auf dem Tisch.«
Er schnappte sich die Autoschlüssel und ging.
Als Fabian das Krankenzimmer betrat, lag Laura Cortese mit dem Kopf zur Wand im Bett. Sie hatte sich eingerollt wie eine Schnecke in ihr Haus.
»Frau Cortese?«
Sie trug noch immer das schwarzweißgemusterte Krankenhausnachthemd und drehte sich so langsam um, als würde ihr Körper Tonnen wiegen. Tränenspuren zogen sich ihre Wangen hinab. Auf ihrer Stirn klebte ein Pflaster.
»Ja?«
Zögernd trat er näher und zog sich einen Stuhl heran. Lauras Bettnachbarin hatte Kopfhörer im Ohr, die fest mit ihrem Laptop verstöpselt waren, und nahm keinerlei Notiz von ihnen.
»Wie geht es Ihnen?«
Laura schwieg einen Moment. »Es kommt immer anders, als man denkt«, sagte sie dann so leise, dass er sich vorbeugen musste, um sie zu verstehen. »Ich hatte mir einen großartigen Abgang ausgedacht, filmreif, erst Tabletten und dann die Pulsadern. Doch dann haben die Mistdinger schneller gewirkt, als ich dachte, und ich bin mit dem Kopf auf den Rand der Badewanne gefallen.«
»Aber es ist doch gut, dass es nicht geklappt hat. Dass Sie noch leben, meine ich.« Fabian verhaspelte sich. Was für einen miserablen Psychologen er doch abgab!
»Das meinen Sie also?« Ihre Augenhöhlen lagen dunkel in ihrem blassen Gesicht. Er hörte den Spott in ihrer Stimme. »Warum?«
Weil sich das Leben lohnt, hätte er beinahe gesagt, aber dann fand er diesen Trost zu billig. »Das müssen Sie selbst herausfinden.«
Ihre schmale Hand griff nach seiner. »Und wenn es keinen Ausweg gibt?«
»Aber Sie sind frei«, wandte er ein und dachte an ihren prügelnden Ehemann, der das Zeitliche gesegnet hatte. In diesem Moment war Fabian komplett egal, ob sie den alten Cortese beseitigt hatte. Doch sie schüttelte vehement den Kopf.
»Sie wissen nichts von meiner – Familie.«
»Ich glaube doch, Frau Cortese. Ich war eben dort.«
Ihre Augen weiteten sich. »Sie waren was?« Verwundert bemerkte er, dass sie Angst hatte.
»Ja … bei Alberto Cortese und diesem Corrado in Aichwald. Alessio war bei ihnen. Aber jetzt haben sie ihn nach Kalabrien geschickt.«
Sie nickte, als würde sie das nicht weiter überraschen.
»Warum haben Sie mir nicht die Wahrheit gesagt?«, fragte er.
Sie legte sich auf das Kopfkissen zurück. »Manchmal muss man lügen. Glauben Sie mir, es war besser so. Bei uns in Italien hat die Familie das Recht, sich einzumischen.«
Einen Moment lang stutzte Fabian und hatte plötzlich Leonies Stimme im Ohr. Konnte Alessio ein
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