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Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Kern
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Infostand der Parkschützer.«

12.
    Lautlos glitt die S-Bahn durchs Neckartal. Auf der rechten Seite der Gleise schoben sich die verschachtelten Weinlagen des Schenkenbergs wie Bauklötze ineinander. Der Fluss tauchte kurz zwischen den Bäumen auf, spiegelte den Himmel und kräuselte sich unter einem plötzlichen Windstoß wie die Haut einer Schlange. Dann kamen Häuser, danach das Daimlerwerk, auf dem sich unermüdlich der Mercedesstern drehte.
    Die S–Bahn um 13.48 Uhr war zu spät dran für den Beginn der Kundgebung um vierzehn Uhr und transportierte nur noch vereinzelte Demonstranten. Leonie war froh über ihren Fensterplatz. Müde von den Anstrengungen des Vormittags schloss sie die Augen. Sie hatte überhaupt keine Lust auf die Massen, die sich in Stuttgart zur Menschenkette gegen den geplanten Bahnhof versammelten. Trotzdem hatte sie sich den »Ja zum Kopfbahnhof«-Button an die Bluse gesteckt, der ihrer Überzeugung entsprach und ihr einige missbilligende Blicke von der älteren Dame gegenüber einbrachte. Lautlos glitt der Zug in den Stadtteilbahnhof von Obertürkheim. Der Platz neben ihr wurde frei. Kaum zwei Sekunden später ließ sich ein junger Mann darauf fallen, der so eilig auf die S-Bahn gelaufen sein musste, dass er ganz außer Atem war.
    Er holte tief Luft. »Leonie?«
    Sie drehte sich um und schaute in kaum vierzig Zentimeter entfernte, braune Augen. »Ja?«, fragte sie.
    Er war groß und schlank, wirkte durchtrainiert und hatte einen wirren dunkelbraunen Lockenschopf. Von irgendwoher kannte sie ihn, konnte ihn aber partout nicht einordnen. »Entschuldige, ich wollte dich nicht überfallen. Fabian. Fabian Grundmann aus deinem Jahrgang am Lenaugymnasium.«
    »Ach so.« Sie biss sich auf die Lippe, weil sie ihn immer noch nicht auf dem Schirm hatte. Die Erkenntnis kam ganz plötzlich. »Jetzt hab ich’s. Du bist Fünfzehn-Punkte-Fabian. So haben wir dich jedenfalls immer genannt.«
    Er war ein Phänomen gewesen. Während Leonie und ihre Clique bei Mathebauer, der heute Sebastian quälte, im unteren Viertel herumkrebsten, hatte er völlig mühelos eine glatte Eins nach der anderen eingeheimst. Hatte er nicht einmal vergeblich versucht, ihr Nachhilfe zu geben? »Ich war unglaublich neidisch auf dich.«
    Fabian lehnte sich zurück. »Kein Wunder, Vier-Punkte-Leonie«, sagte er forsch.
    »Und, was hast du so gemacht in den letzten neun Jahren? Mathe studiert und einen Job bei der Deutschen Bank angenommen?« Sie merkte, dass sie zu viel redete, aber irgendwie machte der Typ sie verlegen. Der Zug fuhr in Untertürkheim ein. Eine Gruppe verspäteter Demonstranten enterte den Waggon und füllte die restlichen Sitzplätze.
    »Zuerst schon.« Fabian lehnte sich zurück und musterte sie. »Aber nach zwei Semestern habe ich gemerkt, dass das nichts für mich ist. Zu trocken. Zu realitätsfern.«
    »Ach wirklich?«
    »Ich bin dann zur Polizei gegangen und habe die Ausbildung als Schutzpolizist durchlaufen. Danach habe ich die Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen besucht und arbeite heute als Kommissar bei der Esslinger Polizeidirektion.«
    Gespannt lehnte Leonie sich vor. »Aber nicht zusammen mit Hauptkommissar Fritz Keller?«
    »Doch«, sagte er, und sein prüfender Blick blieb so lange an ihr hängen, dass sie wegschauen musste.
    »Ich war gestern bei ihm. Du weißt sicher, warum. Auf deinem Schreibtisch lag eine angebrochene Riesentafel Noisette.«
    »Meine Lieblingssorte«, sagte er und lächelte. Verdammter Mist! Die Falschaussage, mit der sie den Jungen aus dem Bus geschützt hatte, lag Leonie noch immer auf dem Gewissen.
    »Ein Bulle also. Lass mich raten, jetzt …« Nervös glätteten ihre Hände eine Falte auf ihrer graugeblümten Vintage-Bluse. »… bist du unterwegs zur Demo, um dort als ziviler Ermittler mitzulaufen?«
    Fabian lachte und schüttelte den Kopf. »Dass es die gibt, ist ein Gerücht.« Er setzte sich zurück und strich sich eine zu lange Haarsträhne aus der Stirn. »Ausstieg in Fahrtrichtung links«, säuselte die Automatenstimme, als die S-Bahn in die Station am Neckarpark einlief. »Please leave the train to the left side.«
    »Ich schiebe als Kriminalpolizist nicht in geschlossenen Einsätzen Dienst. Aber auch die anderen fragt man nicht nach ihrer Meinung, bevor man sie in Kampfmontur in die Polizeikette steckt. Und das Wort ›Bulle‹ macht mir schon lange nichts mehr aus.«
    »Sorry.« Widerwillig spürte Leonie, wie ihr Gesicht zu glühen begann.
    Die Bahn glitt

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