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Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Kern
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Baumgruppe zu, egal was, Hauptsache grün und so dicht, dass er sich verstecken konnte. Als er sich an einem glatten Stamm zu Boden gleiten ließ, wäre seine Hand beinahe in einer gebrauchten Spritze gelandet, die ein Junkie dort verloren hatte. Mit spitzen Fingern griff er nach dem Ding und schleuderte es weit von sich. Er hasste alle Drogen. Dass der Alte gesoffen hatte wie ein Loch, reichte völlig aus. Da musste er sich nicht an einer benutzten Spritze irgendeine Seuche einfangen.
    Um ihn herum war es still. Langsam kam er wieder zu Atem. Und dann waren da die Tränen, die ihm durchs Gesicht liefen, in den Mund und am Kinn herunter. Er hatte jahrelang nicht geweint, auch nicht bei der Beerdigung, warum auch? Aber jetzt heulte er Rotz und Wasser. Er hatte Nick umgebracht. Und Leandros Mutter hatte zugesehen, die so etwas wie sein Lichtblick gewesen war. Jetzt war sein Leben so oder so vorüber. Stundenlang saß er da und spürte die Leere. Doch irgendwann musste er dringend pinkeln.
    Nachdem er sich erleichtert hatte, wagte er sich aus dem Gebüsch heraus auf die Weite der Wiese. Er schaute sich um. Der Himmel war grünlich blau, im Westen golden. Ein friedlicher Samstagabend, an dem die meisten Leute sich mit Freunden trafen oder in Clubs abhingen. Weit und breit keine Bullen, keine Pferde und keine Hunde, die bellend Witterung aufnahmen. Noch durchkämmten sie den Schlossgarten nicht mit Hundertschaften nach ihm. Er erreichte einen kleinen Seitenweg, den er vorwärts lief in Richtung Rosensteinpark.
    Als er die Feuer sah, war der Tag in einen blauen Abend übergegangen. Es roch dermaßen gut. Grillten da welche? Neugierig trat er heran und sah orangerot lodernde Glut. Sie hatten tatsächlich ein Feuer angezündet, Würstchen auf Stöcke gespießt und hielten sie in die Flammen. Ihre Haare waren bunt. Gestreifte Hahnenkämme in allen Farben, Glatzen, buntkarierte Hosen, dicke Ketten, Springerstiefel, schwarzer Lippenstift. Er hatte um die Kids, die tagsüber auf der Königsstraße schnorrten, seit Tagen einen großen Bogen gemacht, aber sein Hunger war so groß, dass ihm bei dem Geruch das Wasser im Mund zusammenlief.
    Ein Mädchen stand auf. Ihr Köter, irgendwas Gemischtes mit Schäferhund, knurrte warnend, und sie legte ihm die Hand auf den Nacken.
    »Still, Ronja. Hey, du kannst ruhig näherkommen. Wir beißen nicht.« Ihre Haare waren so blau wie das Meer, und ihre zerrissene schwarze Strumpfhose zeichnete ein Spinnennetz auf ihre Beine.
    »Setz dich doch!«, sagte sie, als wäre das ein Wohnzimmer und sie würde ihm einen Platz neben sich auf dem Sofa anbieten.
    Schweigend hockte er sich auf die Wiese.
    »Du siehst völlig verhungert aus! Willst du eins?«
    Gierig griff er nach dem Stock, den sie ihm hinhielt. Die Wurst an seiner Spitze war nur ein bisschen angekokelt und so geschnitten, dass sie sich wie eine Blume aufgefaltet hatte. »Danke!« Bei seiner letzten Begegnung mit Feuer wurde ein Bild des Heiligen Antonius von Padua verbrannt, auf das man vorher sein Blut geträufelt hatte.
    »Geht klar.« Ihr Blick traf ihn aus schwarzumrahmten Augen. Alessio nickte, biss in das Würstchen und brach auch dem Hund ein Stück ab. Nie hatte er etwas Besseres gegessen.
    »Ich bin übrigens Blue«, sagte sie. »Und wie heißt du?«
    »Alessio.«

    Sie kamen, als der Mond schon hoch am Himmel stand und den Park in sein weißes Licht tauchte. Alessio erkannte zuerst den Autoscheinwerfer auf dem Hauptweg, der dann verlöschte, etwas später den Schein der Taschenlampe, mit der sie sich ihren Weg über die Wiese bahnten. Er sprang so schnell auf, dass er über seine Füße stolperte.
    »Bleib sitzen!«, schnauzte ihn der Junge an, der neben ihm saß, und seine Beine sackten unter ihm weg, als hätte er Wachs in den Knien.
    »Suchen die dich?«, wisperte Blue.
    Er nickte.
    »Zieh dich aus!«, herrschte der Junge ihn an, und der knallbunte Hahnenkamm auf seinem Kopf wippte bedenklich auf und ab. Auch die anderen schauten hoch, aufgeschreckt, aber nicht so, als würden sie ihn gleich verpfeifen. Eilig streifte er sein Kapuzenshirt über den Kopf und setzte sich darauf. Der mit dem Hahnenkamm sah ihn zweifelnd an und goss ihm dann den Rest Bier aus seiner Flasche über den Kopf.
    »Haare nach hinten!«, sagte er. »Und jetzt rühr dich nicht vom Fleck!«
    Er strich sich die Haare glatt an den Kopf, das Bier klebte fast wie Gel. Und dann warteten sie. Blue griff nach seiner Hand, der Hund legte die Schnauze resigniert auf

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