Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
gegeben hat. Auf seinen Festen verkleideten sich junge Männer als elegante Frauen.«
Fabian sah sie stirnrunzelnd an. »Sein Bild zeigt also einen seiner … dekadenten Lustknaben?«
»Das muss nicht sein. Mario Minitti war ein Freund, mit dem er sogar eine Weile zusammengelebt hat. Und er sieht Alessio sehr ähnlich.«
»Und du meinst, dass jemand wie Bacchus oder dieser Mario Minitti aussieht, macht ihn immun dagegen, ein Verbrecher zu sein?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, du verstehst mich falsch. Mich hat das Schicksal des Jungen betroffen gemacht. Er sieht so verfügbar aus. Seine ganze Schönheit – so käuflich. Das macht mich traurig. Alessio macht mich traurig.«
Fabian drehte sich zu ihr um und schaute sie nachdenklich an.
»Jetzt sag ich dir mal, was ich von Alessio Cortese halte. Er ist ein jugendlicher Gewalttäter, der andere Kinder abzockt, seit er neun Jahre alt ist. Später kamen dann Diebstähle und Raufereien dazu. Er scheint jähzornig zu sein, die Schwelle, an der er komplett austickt, liegt niedrig. Ein paar Jungs hat er schon die Nase gebrochen.«
»Dann passt der Vorfall gestern also ins Bild«, sagte Leonie widerwillig.
»Du hast es selbst gesehen. Aber dadurch unterscheidet sich Alessio nicht sehr von unseren anderen Übeltätern. Doch dann starb sein Vater.«
»Armer Alessio«, murmelte Leonie und vergrub ihre Zehen tief im Sand.
»Es gibt Unklarheiten rund um seinen Tod. Er war zwar schwer herzkrank, aber mit Medikamenten so gut eingestellt, dass er gut noch einige Jahre hätte leben können. Das sagt jedenfalls der Arzt.«
»Du verdächtigst ihn, seinen Vater umgebracht zu haben?«
»Es gibt Hinweise, dass der alte Cortese ihn und seine Mutter geschlagen hat«, sagte er kühl.
»Dann ist Alessio ein Opfer und kein Täter. Und dieser Junge da gestern?«
»Wir haben einen anonymen Anruf erhalten, dass wir im Müll der Mettinger Wohnanlage weggeworfene Tabletten finden würden. Da war jedoch nichts, was allerdings auch bedeuten kann, dass die Täter diese anderswo entsorgt haben. Was, wenn der fremde Junge Alessio erpresst hat und das Geld von Frau Deringer für ihn bestimmt war?«
»Reine Mutmaßungen«, sagte Leonie und schaute nach Leander, der wieder seinen Sandeimer füllte. Das kleine Mädchen war inzwischen nahe an ihn herangekrabbelt und beobachtete ihn hingebungsvoll mit dem Daumen im Mund. Und plötzlich griff sie zu.
»Nein!«, rief Leonie und machte einen Satz in Richtung Sand. Doch die Kleine war schneller. Flink schnappte sie sich den Eimer, drehte ihn um und schüttete Leander die ganze Füllung über den Kopf, worauf er auf der Stelle zu brüllen begann. Leonie zog ihren Sohn auf ihre Knie und putzte ihm mit einem Tempotuch das Gesicht sauber, das voller Tränen, Rotz und Sand war.
»Frauen«, sagte Fabian.
Sebastian stand mit Max an der Leine im Garten der Klinik. Zum Ausgleich für sein gestriges Schuleschwänzen hatten sie ihm tatsächlich aufgedrückt, mit dem fetten Hund, der durchhing wie eine gut gestopfte Wurst, Gassi zu gehen und ihn anschließend bei Frau Deringer abzuliefern. Es herrschte sonntäglicher Hochbetrieb. Die Patienten flanierten im Sonnenschein unter den Ahornbäumen dahin, deren Blätter grüne Reflexe auf den Boden warfen. Eine türkische Familie picknickte auf dem Rasen und ließ ihre Kinder, zwei Jungen und ein Mädchen, frei herumtollen. Die Kleinste, ein schwarzer Lockenkopf, stellte sich vor ihn hin und bohrte in der Nase.
»Wau«, sagte sie und deutete auf den Mops.
Er ignorierte das Kind, setzte sich auf die Bank und schaute auf sein Handy. Schon fünf Uhr. Eigentlich wollte er mit Lukas noch eine Runde um die Häuser drehen und vielleicht einen kleinen Halt im Komma machen.
Als Frauchens pinkfarbener Nickianzug zwischen den Bäumen auftauchte, begann der Mops zu ziehen. Ihre Haare waren in perfekt synchrone lila Wellen gelegt, und ihr Arm steckte in einer dunklen Schiene mit Klettbändern.
»Ist ja gut!«
Er griff die Leine fester und war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob Hunde hier überhaupt erlaubt waren. Und da war es schon passiert. Max hatte sich losgerissen und rollte wie eine durchgegangene Dampfwalze quer über die Wiese auf Frau Deringer zu.
»Ja Mäxle. Da bisch du ja. Ond gut goats dir. Des sieht man vei.« Gerührt nahm sie ihren wie verrückt wedelnden Mops in Empfang. »Magsch ein Zuckerle?« Sie hielt ein braunes Teil in die Höhe, von dem Sebastian nicht sagen konnte, ob es sich um ein
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