Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Jeans.
Unwillig entzog er sich, indem er einen Schritt zurücktrat.
»Ich muss leider gleich weg. Die Charitys warten schon.«
Immer sonntags kümmerte sich Conny um ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen, zu denen auch der Damenclub gehörte, der bei reichlich Prosecco Pläne für das nächste Benefizkonzert schmiedete.
»Hast du was von Sandra gehört?«
»Nein.« Seit seine Freundin ein Auslandssemester in England verbrachte, hatte sich ihre Beziehung abgekühlt.
»Könntest du dich bitte um meinen Rechner kümmern? Er lässt sich einfach nicht mehr hochfahren. Und vergiss nicht, den Garten zu gießen!« Das Frühjahr war viel zu trocken gewesen. Der staubige Erdboden saugte das Wasser auf wie ein Schwamm. Fabian nickte resigniert. »In Ordnung. Und wo ist der Alte?«
Missbilligend schüttelte sie den Kopf. »Vater ist Golfspielen«, sagte sie leise. Einen Moment später fiel die Tür ins Schloss. Kurz darauf setzte sie den schwarzen Mercedes zurück, der in der Einfahrt gestanden hatte, und fuhr in Richtung Mülberger Straße davon. Okay, okay.
Fabian ging in die Küche und schaute nach, was es zu essen gab. Nicht schlecht. Er packte sich den Teller voll Kartoffelgratin, häufte Salat darauf und griff sich gleich zwei der leckeren mit Schafskäse und Lammfleisch gefüllten Teigtaschen. Dann setzte er sich auf das weiße Ledersofa im Wohnzimmer und legte die Beine auf den passenden Hocker. Es war so still, dass er den Staub in den Sonnenflecken tanzen sah. Der Raum war mit 40 Quadratmetern angemessen groß. Er lag im Erdgeschoss des repräsentativen Terrassenbaus mit acht Zimmern, den sich seine Eltern vor sieben Jahren in bester Halbhöhenlage gebaut hatten. Der Perserteppich, ein riesiger Flachbildfernseher, die dunklen Regale aus Kirschbaumholz, in denen sich die Bücher bis zur Decke stapelten. Das Zimmer spiegelte den gediegenen Wohlstand, den sich der Alte über die Jahre hinweg erarbeitet hatte. Grundmanns fühlten sich an ihrem gesellschaftlichen Platz in der Esslinger Oberschicht wohl und füllten ihn stilvoll aus. Nur Fabian hatte die Familientradition gebrochen, war kein Banker auf Erfolgsschiene geworden, sondern Polizist. Einer, der im Schlamm herumstochert und nicht mal gut dabei verdient, hatte sein Vater gesagt. Fabian selbst hatte keinen Namen für den unverbesserlichen Idealismus, mit dem er die Risse in der Welt zu kitten versuchte.
Er drückte auf die Fernbedienung und begann, auf dem Sofa zu essen. Auf Arte kam eine Reportage über Brunnenbau in Afrika, langweilig, aber er brauchte die Glotze sowieso nur, um in Ruhe nachdenken zu können.
Der gestrige Tag steckte ihm in den Knochen. Wenn er die Augen schloss, wirbelten die Bilder durcheinander, der muffige Geruch des Schotters, der Junge mit dem Gesicht auf den Gleisen, dessen kaum merklichen Puls er in den Fingerspitzen gespürt hatte. Die Lichter der Stadtbahn, Leonies angstvoll aufgerissene Augen. Er fühlte sich, als sei er in Einzelteile zerfallen. Und er wusste nicht, was dabei herauskommen würde, wenn er sie wieder zusammensetzte. Denn dazwischen lag die Begegnung mit Leonie. Nach der schlaflosen Nacht im Krankenhaus hatte er als Erstes ihre Nähe gesucht und wie ein begossener Pudel in Hausmanns Garten herumgestanden. Die Sache mit der Falschaussage war dabei nebensächlich gewesen.
Sie gefiel ihm, obwohl ihm klar war, dass er damit auf Glatteis balancierte. Eine Frau, die das Modell eines Barockkünstlers mit einem jugendlichen Straftäter verwechselte, war hochgefährlich. Aber vielleicht war genau diese traumtänzerische Art das, was ihn interessierte. Weil sie nicht nachdachte, bevor sie zu leben begann.
Er ging ins Schlafzimmer an den Schreibtisch seiner Mutter. Der Alte leistete sich ungefähr einmal im Jahr einen neuen Rechner. Für Conny, die mit dem Computer allenfalls ihre Termine plante oder im Internet recherchierte, blieben die ausrangierten Modelle übrig. Er drückte auf Start, einmal, zweimal, dreimal, dann gelang es ihm, die Seite seiner Mutter hochzufahren, auf der ein rosagrünes Streifenmuster für unerwartete Akzente sorgte. »Graphikkarte kaputt«, murmelte er und fuhr den Rechner wieder runter. Da musste zumindest ein Ersatzteil, wenn nicht diesmal doch ein neues Modell her.
Fabian trat auf die Terrasse hinaus. Die Sonne war schon verschwunden, aber die Hitze des Tages lag noch in der Luft. Er wickelte den Gartenschlauch ab und zog ihn mit sich den Hang hinunter. Vom Garten aus bot sich ein
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