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Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Kern
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Morgensonne Erdbeeren pflücken und Blumen schneiden. Dort gab es einen Abenteuerspielplatz, auf dem Alessio als Kind viel Zeit verbracht hatte. Später hatte er dann mit seinen Kumpels im Verein gekickt und sich dabei locker Respekt verschafft. Damals war die Welt noch fast in Ordnung gewesen.
    Die Siedlung bestand aus rechteckigen Wohnblocks, die in ebenso rechteckige Wohnungen aufgeteilt waren. Die Schuhschachteln unterschieden sich nur durch die unterschiedliche Farbe der Balkone. Es gab welche mit grünen und blauen Balkonen und welche mit roten und orangefarbenen. Alessio wohnte in einem der orangefarbenen.
    Als er seinen Schlüssel in die Haustür steckte, bewegte sich im ersten Stock eine Gardine. Frau Hegele. Er winkte, wie er es immer getan hatte, wenn die Alte spionierte, und der Schatten verschwand. »Neugierige Eule«, brummte er.
    Blue biss sich auf die Lippen, aber sie folgte ihm trotzdem in den dritten Stock. Es war ein komisches Gefühl, nach vier endlosen Wochen wieder die Wohnung aufzuschließen. Drinnen war es perfekt aufgeräumt, fast, als hätte sich seine Mutter damit abgefunden, dass niemand von ihnen je wieder nach Hause kommen würde. Die kleine Schäferin aus Porzellan, die sie so sehr liebte, stand auf der Kommode. Es roch nach zerbrochener Familie und dem Rauch, der muffig in den Vorhängen klebte. Blue ging ihm voran ins Wohnzimmer und steuerte zielstrebig in Richtung Fernseher, auf dem das Foto stand, das an Alessios fünfzehntem Geburtstag geschossen worden war.
    »Seid ihr das, du und deine Eltern?«
    Er nickte. »Das waren wir. Mein Vater ist vor drei Monaten gestorben. Meine Mutter musste vor vier Wochen in die Klinik.«
    »Oh«, sagte sie. »Das tut mir leid. Sie sehen so gut aus, der grauhaarige große Mann wie George Clooney und deine Mutter. Sie ist so viel jünger und so schön.«
    Er zuckte die Schultern. »Vielleicht stand er deshalb auf sie. Aber das hätten sie lieber lassen sollen. Ihre Ehe war eine Katastrophe.«
    Sie trat auf ihn zu und legte ihm die Hand auf den Rücken. »Aber dann würde es dich nicht geben.«
    Alessio zuckte die Schultern. »Das wäre kein großer Verlust.«
    »Doch, das wäre es«, widersprach sie. »Und wer hat das Foto gemacht?«
    »Ein Verwandter«, sagte er ausweichend.
    »Zeig mir mal die Küche. Ich möchte Ronja Wasser geben.«
    Als der Hund friedlich aus der Obstschale trank, steckte er die mitgebrachte Wäsche samt Schlafsack in die Waschmaschine. Einen Moment lang sah er zu, wie die Maschine den Schmutz der vergangenen Wochen einfach so fortspülte. Dann holte er Handtücher aus dem Elternschlafzimmer, auf dessen Bett die Rüschendecke lag, rechtwinklig und abgezirkelt, rosa.
    Alessio und Blue duschten nacheinander. Danach setzte sich Blue mit Ronja ins Wohnzimmer und schaute Viva. Als er mit einem Tablett voll italienischem Kaffee, den restlichen Croissants, Butter und Marmelade aus der Küche kam, wandte er schnell den Blick ab, denn sie trug nichts außer dem flauschigen Badetuch, das er ihr gegeben hatte. Irgendwie hatte sie geschafft, es wie ein Strandkleid um sich herumzuwickeln und dabei noch elegant auszusehen. Blues Schultern waren sehr zart und sehr weiß, die Haare standen in alle Richtungen ab wie bei Pumuckl, der in seiner Kindheit im Fernsehen sein Unwesen getrieben hatte. Nur blau. Vorsichtig setzte er sich auf die Sofalehne, nicht zu nahe und nicht zu weit von ihr weg. »Magst du Cappuccino? Ich hab Milch aufgeschäumt.«
    »Na klar«, sagte sie. »Aber woher kannst du solche Sachen?«
    Er goss den Kaffee in zwei Tassen, rührte Zucker hinein und gab Milch dazu. »Weil Laura, meine Mutter, Hilfe brauchte. Seit mein Vater krank war, hatte sie als Fremdsprachenkorrespondentin Vollzeit gearbeitet, und wenn sie müde nach Hause kam, randalierte der Alte besoffen herum. Irgendwann war sie so traurig, dass sie nicht mehr gesprochen hat. Manchmal hat es ihr dann geholfen, wenn ich da war und Kaffee gekocht habe. Dann ist der Alte gestorben, aber ihre Traurigkeit blieb und wurde immer schlimmer, bis sie nur noch auf dem Sofa gelegen und geraucht hat. Ein Wunder, dass die Bude nicht abgefackelt ist.«
    Wenn es Laura schlecht ging, musste er raus und an irgendjemandem Dampf ablassen, jemandem, der schwächer war als er und dem er zeigen konnte, mit wem er es zu tun hatte. Den Revolver seines Vaters hatte er im Schlafzimmer versteckt.
    »Die Arme«, sagte Blue, trank und leckte sich den Schaum von den Lippen.
    Alessio schwieg. Er

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