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Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Kern
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durfte nicht an seine Mutter denken, nicht jetzt. »Und du? Warum bist du von zu Hause abgehauen? Das bist du doch, oder?« Zornig stieß sie die Luft aus. »Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig!«
    »Komm schon«, sagte er beschwichtigend. »Ich hab dir von mir erzählt, und das ist echt keine schöne Geschichte. Warum kannst du dann nicht von dir erzählen?«
    Sie musste ja nicht wissen, dass er das Wesentliche weggelassen hatte. Blue setzte sich zurück und schaute ihn prüfend aus ihren dunklen Augen an. »Wir hatten ein Gestüt. Voll schön.«
    Er runzelte die Stirn.
    »Na, einen Pferdehof, du weißt schon mit edlen … Araberhengsten. Braun, schwarz, weiß. Mein Pferd hieß Flamingo. Und dann kam ein Feuer, und alles brannte ab, die Pferde alle tot. Meine Eltern auch, und ich stand allein auf der Straße.«
    »Jetzt lügst du«, sagte Alessio langsam.
    »Na gut. Das stimmt nicht. Aber die Wahrheit ist so beschissen. So erniedrigend.« Sie setzte sich zurück, drückte sich in das Kissen mit dem Elefanten und fasste einen Entschluss. »Meine Eltern sind nicht tot und auch nicht arm. Sie haben ein Autohaus, und bis vor einem halben Jahr war ich nur die rebellische Tochter der Chefs der Opelniederlassung in Backnang. Flamingo gibt es übrigens wirklich. Sie haben locker den Reit- und den Ballettunterricht für uns bezahlt. Aber dann ist Paula ausgezogen, meine ältere Schwester, und er fing an … hinzugucken.«
    »Wer?«, fragte Alessio begriffsstutzig.
    »Mein Vater. Und dann hat er zugegriffen.« Ihre Stimme war sehr leise geworden. »Ich hab irgendwann gerafft, dass er es mit Paula genauso gemacht hatte. Sie war bloß so lange daheim geblieben, weil sie mich schützen wollte. Aber irgendwann konnte sie nicht mehr. Und das kann ich gut verstehen, denn man fühlt sich wie ein Nichts.«
    »Ich blas ihm den Kopf weg«, sagte Alessio gelassen.
    »Was?«
    »Er ist schon tot.«
    »Aber …« Entgeistert starrte sie ihn an.
    »Das macht man so mit Verbrechern. Dann kann er keinen Ärger mehr machen, genau wie mein Alter.« Alessio trank einen Schluck Cappuccino, der kalt und schal geworden war.
    Blue schaute ihn an und biss sich auf die Unterlippe. »Manchmal machst du mir Angst.«
    Er nickte. »Natürlich. Unsere Sachen sind trocken.«
    Auf dem Bildschirm räkelte sich Amy Winehouse mit ihrer aufgetürmten Frisur und den unglaublich schwarz angemalten Augen am Mikrophon und sang »No, No, No.«
    Er holte die Wäsche aus dem Trockner und streifte sich das blaue Sweatshirt über. Auf dem Weg ins Wohnzimmer stoppte er am Fenster und schaute hinaus.
    Sofort durchzog ihn ein Schwall Kälte, ein eisiger Wind, der in seinem Inneren begann. Dort unten stand Kain und beobachtete das Haus. Im gleichen Moment hob er den Kopf, und ihre Augen begegneten sich. Alessio verlor keine Zeit und rannte, so schnell er konnte, ins Wohnzimmer.
    »Nimm Ronja, wir müssen abhauen«, rief er und warf Blue, die zum Glück wieder ihr T-Shirt und den Minirock angezogen hatte, den Schlafsack zu. Eine Sekunde später klingelte es unten Sturm und jemand polterte an die Tür. Sie stolperten durchs Treppenhaus, durch das die Klingel schallte wie eine Schiffssirene, und die Tür im ersten Stock ging auf.
    »Alessio, mach doch uff! Des isch ja oin Hoidelärm dahanne«, herrschte ihn Frau Hegele an.
    »Nein, kann ich nicht«, schrie er. Sie schaute ihn an und begriff schneller, als er gedacht hatte. »En den Keller«, sagte sie.
    Hand in Hand rannten sie die Kellertreppe runter. Im unteren Flur blieben sie mit klopfendem Herzen stehen und lauschten. Sogar der Hund war still. Tatsächlich, die Nachbarin stieg in ihren Pantoffeln ins Erdgeschoss und öffnete die Tür.
    »Ist Alessio da?«, fragte Kain, und Alessio drückte sich mit seinem Rücken an die kalte Kellerwand, als könnte die ihm Kraft zum Durchhalten geben. »Gerad eben war ers noch«, sagte Frau Hegele unbestimmt. »Ganget se doch nuff, Corrado, und leitet obe!« Fluchend rannte Kain die Treppe hoch in den zweiten Stock.
    »Warum hast du Angst vor dem Typ?«, zischte Blue.
    »Das hättest du auch«, flüsterte er und zog sie mit sich den viel zu langen Gang entlang, am Heizungskeller vorbei, durch die Tür ins Freie. Hier standen rostige Wäschestangen herum, die niemand mehr benutzte, dazwischen ein morsches Schaukelgestell. Blauer Himmel wölbte sich friedlich über allem.
    »Komm!«
    Sie rannten durch die Unterführung in Richtung Bahnhof und nahmen auf der Treppe zum Bahnsteig drei

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