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Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Kern
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Stufen auf einmal. Die nächste S-Bahn in Richtung Stuttgart kam erst in zehn Minuten. »Scheiße«, sagte Alessio und zog Blue in eines der Wartehäuschen, die wenigstens ein bisschen Schutz boten. Hier kauerten sie sich auf die Bank und machten sich so klein wie möglich.
    Wieder und wieder schauten sie zum Treppenaufgang. Ronjas Ohren zuckten nervös, aber noch immer gab sie keinen Laut von sich. Ein Zug raste durch den Bahnhof und saugte alle anderen Geräusche in sich auf. Als es wieder still war, hielten Alessio und Blue sich an den Händen. Eine alte Frau im türkisblauen Sommerkleid betrat den Bahnsteig und setzte sich freundlich grüßend neben sie auf die Bank. »Was für ein schöner Tag!«
    Er nickte. Als Nächstes kam eine türkische Familie, die Frau mit Kopftuch, der Mann schob den Buggy über die Laufrinne am Rande der Treppe und hievte ihn über die Kante. Dann holte er seine Zigaretten aus der Tasche.
    »Hier wird nicht geraucht!« Grantig fuhr die Alte den jungen Vater an, der achselzuckend die Kippe austrat und die Hände in den Hosentaschen versenkte. Seine Frau nahm das Baby aus dem Wagen und setzte es sich auf die Hüfte, von wo aus es sich neugierig umsah. Aber wenn Kain doch kam, würde er dann auf sie alle schießen?
    Alessio dachte an Zuffenhausen, spürte das Entsetzen noch einmal, sah das viele Blut, die Pfützen, die rot gesprenkelten Fliesen, hörte die Stille, als die beiden alten Leute tot waren. Der Tod war nicht sauber, sondern eine Riesensauerei, besonders wenn mehrere Menschen gleichzeitig starben. Jede Nacht träumte er, dass er die Pizzeria mit einem Gartenschlauch reinigen musste und dann in den Fluten ertrank.
    In diesem Moment fuhr die S-Bahn ein. Lautlos gingen die Türen auf und verschluckten sie alle. Die Bahn hatte sich gerade in Bewegung gesetzt, als Kain polternd die Treppe hochstürmte, ohne Pistole, aber mit einem Gesicht wie ein scharfgemachter Pitbull. Alessio drückte seine Nase ans Fenster und sah, wie er die Faust gegen ihn reckte, voll hilflosem Zorn, dass er ihm wieder entkommen war.
    »Wer ist das?«, fragte Blue, und er hörte die Angst in ihrer Stimme. Diesmal hatte sie allen Grund, sich zu fürchten.
    »Mein Halbbruder«, sagte er.

    »Du bist mir einen Sohn schuldig«, hatte der andere gesagt.
    »Noch einen?«, fragte der Alte.
    »Du weißt, dass wir eine Familie sind, Giorgio.«
    Der Alte hatte versucht, ihn hart zu machen, indem er ihn prügelte, wann immer ihm der Sinn danach stand. Aber es war ihm nicht gelungen. Alessio war ein Weichei geblieben. Anders Corrado, dessen uneheliche Geburt wie ein Makel an ihm haftete und der von allen nur Kain genannt wurde, der Bluthund des anderen, vielleicht, weil sein wirklicher Vater nie etwas von ihm wissen wollte.

18.
    Sie würden der Zeitungsschlampe einen Denkzettel erteilen. Es war Abend, und die Abgase von Stuttgart City prasselten in einem Regenschauer auf die engen Häuserzeilen im Stuttgarter Westen herunter. Zu gern hätte Kain die Angst in ihren Augen gesehen und ihr gezeigt, was er noch alles drauf hatte. Doch man hatte ihm verboten, sich direkt mit ihr auseinanderzusetzen, und er hielt sich an die Befehle. Er hatte den Geländewagen am Straßenrand der Reinsburgstraße auf einem der wenigen legalen Parkplätze abgestellt und seine Hände locker auf das Lenkrad gelegt. Der Junge neben ihm rutschte unruhig hin und her und befingerte seinen Rucksack, in dem die Spraydosen aneinanderklackerten. Anders als Alessio tat er, was man ihm sagte.
    »Keine Panik!«, sagte er, und der Junge lächelte schief.
    Er fühlte sich gut, brannte vor Tatkraft. Der Geländewagen – er genoss es, wenn man ihm gestattete, ihn zu benutzen. Im Auto roch es nach den Ledersitzen, und die PS spürte man daran, dass der Motor schnurrte wie ein Kater, wenn er ihn mit einer leichten Handbewegung auf die linke Spur zog. Jetzt stand das Baby. Er schaute in den Seitenspiegel, erkannte die Streife, die langsam die Straße herabfuhr. Blausilbern. Als sie vorüber war, zählte er bis zehn und stieg aus. Der Junge folgte ihm. Er kaufte einen Parkschein und platzierte ihn akribisch ordentlich vor der Windschutzscheibe. Dann gingen sie an die Arbeit.
    Die Redaktion der Zeitung lag im Hinterhof, rundum ragten Ziegelwände auf, Mülltonnen vollgestopft mit Altpapier, nasses Gras. Das ganze Haus stand dunkel und still unter dem grauen Himmel, aus dem es noch immer leise tropfte.
    »Keiner da«, sagte der Junge.
    Er nickte und ging daran, die

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