Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
seinen Bademantel. »Musst du nicht schon längst in deiner Restaurantküche stehen?«, fragte sie.
Er goss zwei Gläser voll mit Apfelsaft. »Wir haben heute keinen Mittagsbetrieb.«
»Also hast du tagsüber sogar manchmal Freizeit. Wie war das mit den sechzehn Stunden, die du jeden Tag schuftest?«
»Ich arbeite tatsächlich so viel. Da gibt es eine Menge Geschäftliches zu erledigen. Buchführung, Gehaltsabrechnungen und solche Sachen.«
Leonie nippte an dem Apfelsaft. Er war so kalt, dass sie zurückzuckte. »Ich bin nicht gekommen, um mit dir zu schlafen«, sagte sie.
»Nein?« Er grinste sie an. »Dafür hattest du aber jede Menge Lust.«
»Eigentlich wollte ich nur mit dir reden.«
»Musst du nicht heim?« Gianluca deutete auf die Küchenuhr. Es war schon früher Nachmittag. »Wer passt auf dein Baby auf?«
»Mein Vater. Der macht das wirklich gern und gut.«
»Dann hast du genug Hilfe?«
Sie nickte. »Jede Menge. Ich bin sehr dankbar.«
»Und – willst du nicht beruflich wieder einsteigen. Was machen Kunsthistoriker eigentlich? Führungen?«
»Auch, aber eigentlich hatte ich an eine Karriere an der Uni gedacht. Doch jetzt werde ich mich wohl umorientieren.«
»Und als was?« Er legte den Arm um sie.
»Es ist noch nicht ganz spruchreif«, sagte sie und wusste selbst nicht, warum sie Gianluca nichts von Sabine Marian und der Zeitung erzählte.
Ihre Gedanken machten einen Sprung. »Aber ich könnte dich etwas fragen.« Gianluca war genau der Richtige, um ihr bei der Recherche über die Mafia zu helfen.
»Schieß los!«
»Was weißt du über Schutzgelderpressung?« Zwischen seinen Augenbrauen erschien eine steile Falte. »Du fragst mich, ob ich Schutzgeld zahle. Mich?«
»Vergiss es!«
»Nein, nein, schon gut.« Er hob die Hände. »Ich habe mit Schutzgeldzahlungen überhaupt keine Erfahrung. Aber ich würde ganz gerne wissen, was dein Preis ist.« Bevor sie etwas antworten konnte, verschloss er ihren Mund mit einem Kuss.
Vor dem Schreibwarengeschäft an der Mettinger Straße stand ein Aufsteller mit der Bildzeitung in Schwarz und Rot. »Ermittlungsfehler oder Schlamperei«, lautete die Schlagzeile des Tages und stach Fabian ins Auge, während er vorbeifuhr.
»Da hat unser Freund von der Presse seine Vorstellungen ja prompt umgesetzt«, sagte er. »Dieser Schmierfink!«, brummte Fritz Keller auf dem Beifahrersitz.
»Warum macht dich das so wütend? Heute werden doch alle möglichen Dinge ans Tageslicht gezerrt.«
Als Keller sich zu ihm umwandte, lagen auf seinen Wangen rote Flecken. »Für dich vielleicht, wenn du so einer bist, der auf Facebook von seinem Fußpilz erzählt«, sagte er aufgebracht. »Aber das hier ist gravierender, denn unser Mörder erfährt, dass wir Milena freilassen mussten. Selbst, wenn er die Zeitung nicht einmal kauft. Und dann zählt er zwei und zwei zusammen und verschwindet in seinem Mauseloch.«
Sie fuhren ins Industriegebiet zwischen Mettingen und Obertürkheim, um einen Informanten zu treffen, der sich im Rotlichtmilieu rund um die Landeshauptstadt bestens auskannte. Jedenfalls meinte das Keller. Milena hatte ihnen nicht verraten, in welchem Club Ölnhausen sie aufgegabelt hatte.
»Fahr rechts ab!«, brummte er, und Fabian lenkte den Wagen auf einen Parkplatz vor einer Fernfahrerkneipe. Etwas weiter hinten lag der Autoport mit seinen Parkplätzen voller Gebrauchtwagen. Dahinter starteten die Fernbusse in alle Himmelsrichtungen Europas, ein Ort der karierten Plastikreisetaschen und der zerstörten Träume. Sie stiegen aus und betraten einen verräucherten Gastraum.
»Keller!«, sagte der Wirt und wischte mit einem karierten Geschirrtuch über die Theke.
»Radan Stankovic.« Keller drückte ihm die Hand und deutete auf Fabian. »Mein Kollege Grundmann.«
»Frisches Blut in der Esslinger Polizeidirektion.« Ein prüfender Blick und ein kräftiger Händedruck galten Fabian. »Setzt euch doch, ich komme gleich. Wollt ihr was trinken?« Keller bestellte eine Cola. »Ein Wasser«, sagte Fabian und folgte seinem Chef in eine Fensternische. Die Kneipe war ganz mit Holz vertäfelt, das der Rauch der vergangenen Jahrzehnte dunkel verfärbt hatte. Nur ein weiterer Tisch war besetzt, an dem sich hemdsärmlige LKW-Fahrer über ein verspätetes Frühstück mit Schinken und Eiern hermachten. »Noch ein Bier!«, brüllte einer. »Kommt sofort.« Stankovic bahnte sich seinen Weg mit dem Tablett in der Hand, verteilte die Getränke und setzte sich. Seinen Platz hinter
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