Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
dahinter lag ein Kundenparkplatz. Er wurde durch ein zweistöckiges Haus begrenzt, vor dem ein kurzgeschorener blonder Riese stand. Sein American Staffordshire Terrier knurrte und zog an seiner Leine. »Kriminalpolizei«, sagte Keller ruhig und zeigte seinen Ausweis. Der Hund bellte entrüstet und stellte sich auf die Hinterpfoten.
»Ruhig, Gipsy!« Der Türsteher zerrte so stark an der Leine, dass dem Tier einen Moment lang die Luft wegblieb. »Was wollen Sie?«
»Wir sind bei Heiner Blankert angemeldet«, sagte Fabian.
Den Nachmittag hatte er damit verbracht, so viel wie möglich über das Bordell herauszufinden. Es war kein großes Problem gewesen, denn die Betreiber pflegten einen ausführlichen Internetauftritt. Das »Fallen Angel« präsentierte sich als Wellnesscenter mit Massagesalon, Bar und einem »Rückzugsbereich« für gehobene Ansprüche. Ein Foto zeigte den Geschäftsführer Heiner Blankert als biederen Mittvierziger im Anzug. Nur über die Prostituierten erfuhr man so gut wie nichts.
»Dann kommen Sie!«, sagte der Türsteher missmutig und zog Gipsy hinter sich her ins Haus. Die Polizisten folgten ihm durch die fast leere Bar, in der eine Discokugel einen Reigen glitzernder Effekte an Wand und Decke warf. In einer Ecke saßen zwei Männer und prosteten sich zu.
»Was ist, Mischa?«, fragte die Rothaarige hinter der Theke heiser.
»Cops. Sie wollen zu Heiner.«
Sie nickte vielsagend und zapfte ein weiteres Bier.
Eine Tänzerin, die außer einer Federboa und einem BH nur einen winzigen Stringtanga trug, stand an der Bar und griff nach einem Cocktail. Als sie den Raum durchquerten, brannte ihr Blick in Fabians Rücken.
Das Büro lag im Erdgeschoss in einem dunklen Flur, von dem drei Türen abzweigten. Hinter der ersten wartete der Geschäftsführer auf sie. Blankert rauchte durch ein offenes Fenster in einen Hinterhof voller Mülleimer, Gestrüpp und Gerümpel. Zumindest der stand im krassen Gegensatz zur glatten Internetseite.
»Mein Name ist Keller. Wir haben telefoniert. Und das ist mein Kollege Grundmann.« Schweigend schloss der Geschäftsführer das Fenster und forderte sie auf, am großen Schreibtisch Platz zu nehmen. Sie setzten sich vor das wuchtige Möbel und Blankert dahinter, wie auf dem Foto in grauem Anzug mit blaugestreifter Krawatte. Penibel und überkorrekt, vom exakt gezogenen Scheitel bis zum polierten Lederschuh, als sei er einem Benimmbuch für Bankkaufleute entsprungen. In seiner Brusttasche steckte ein passendes Einstecktuch.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
Sie lehnten dankend ab. »Wir ermitteln im Mordfall Peter Ölnhausen«, fiel Keller mit der Tür ins Haus.
»Ich habe davon gehört«, sagte Blankert vorsichtig. »Er war hin und wieder unser Gast. Ein Mann mit besonderen Vorlieben.«
Keller nickte. »Das überrascht uns nicht. Und dann dürfte Ihnen auch der Name seiner Lebensgefährtin Milena Donakova nicht unbekannt sein.«
Blankert lehnte sich zurück. »Milena hat eine Weile hier gearbeitet. Völlig legal. Mit gültiger Aufenthaltserlaubnis. Aber das wissen sie sicher schon.« Im Gegenteil, diese Information war ihnen neu. Wenigstens dafür hatte sich die Fahrt nach Cannstatt gelohnt. »Wer hat sie an Ihr … Etablissement … vermittelt?«, fragte Keller weiter. Blankerts Gesicht war so glatt und ausdruckslos wie eine verschlossene Tür. »Das weiß ich nicht.«
»Aber Sie wollen uns doch wohl nicht weismachen, dass Sie die Hintermänner nicht kennen, die die Mädchen nach Deutschland schaffen?«, mischte sich Fabian wütend ein. Blankert wurde blass vor Zorn. »Sie unterstellen mir, dass wir unsere Mädchen durch kriminelle Machenschaften gewinnen? Durch Menschenhandel? Dem ist aber nicht so. Ich habe Arbeitsverträge für jede Einzelne von ihnen. Pässe, Aufenthaltsgenehmigungen und Gesundheitszeugnisse liegen auch vor. Fragen Sie doch Milena!«
Ein lückenlos legal arbeitender Laden also. Fabian spürte Unruhe in sich aufkommen. Am liebsten hätte er den aalglatten Geschäftsführer an seiner Krawatte gepackt und über den Tisch gezogen. Er stand auf, ging zum Fenster und starrte in den trostlosen Hof hinaus. Neben einer blauen Papiermülltonne stand die Tänzerin aus der Bar und schaute hoch. Über ihrem BH trug sie jetzt ein graues Kapuzenshirt. Als sie ihn sah, legte sie den Finger auf die Lippen und winkte ihn vorsichtig heran. Fabian drehte sich um.
»Könnte ich wohl Ihr Bad benutzen?«, fragte er.
»Selbstverständlich.«
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