Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
lebendige Leiche. Und dann hat er mich einfach stehengelassen.«
»Und da hast du erst recht gedacht, dass an deiner Vermutung etwas dran ist?«
Er nickte. »Am nächsten Tag habe ich bei der Polizeidirektion angerufen, wegen der Medikamente.«
Fabian riss sich mühsam zusammen. Der Einsatz war einer der unerfreulichsten in seiner bisher noch kurzen Laufbahn gewesen.
»Du hattest selbst aber keine Tabletten im Müll gesehen?«
Nicolai schüttelte den Kopf. »Vielleicht haben sie die ja auch ins Klo gespült. Irgendwie müssen sie es ja gemacht haben. Und wenn sie ihm seine Medikamente nicht weggenommen haben, dann haben sie’s halt irgendwie anders gemacht.«
Fabian schwieg, und Nicolai sprach weiter.
»Und dann habe ich Alessio um Geld angehauen. Kriegt man dafür Knast?« Die blauen Augen blickten plötzlich verschattet.
»Kommt drauf an«, sagte Fabian unbestimmt. »Und am Samstag hast du erwartet, dass er dir die Kohle aus dem Handtaschenraub übergibt?«
Nicolai hob langsam den Kopf und senkte ihn dann auf seine Brust. Wenn das ein Nicken gewesen sein sollte, dann ein verdammt langsames. »Er wollte nichts rausrücken«, schob er hinterher. »Den Rest kennen sie.«
45.
Leander riss den Mund auf, legte den Kopf in den Nacken und brüllte, was das Zeug hielt. Seine Hände hatten sich in Leonies Haaren verkrallt, und sein Rücken war vor Entrüstung ganz durchgedrückt.
»Schhh«, sagte Leonie entnervt und versuchte vergeblich, seinen Kopf an ihre Schulter zu legen. Er war schon mit schlechter Laune aus dem Mittagsschlaf aufgewacht und hatte seither den Platz auf ihrer Hüfte kaum noch verlassen.
Nachdenklich strich sie ihm über den Kopf. Wenn er nicht aufhörte, so unleidlich zu sein, würde sie heute Abend nicht arbeiten können. Sie würde keine Rezension über die Vorstellung im Theaterhaus schreiben können und auf diese Weise ihren Arbeitsplatz verlieren, noch bevor sie ihn richtig angetreten hatte. Und sie war auch noch selbst schuld an der Misere. Sicher reagierte Leander auf die Tatsache, dass sie ihn in der letzten Woche so oft abgegeben hatte.
Voller schlechten Gewissens stieg sie mit dem schreienden Leander ins Erdgeschoss hinunter und setzte in der Küche Milch für seinen Griesbrei auf. Als sie versuchte, ihn in den Hochstuhl zu setzen, steigerte sich das Geschrei zu einem schrillen Kreischen.
»Was ist denn mit dem los?«, rief Sebastian, der mit der Baumelfe am Tisch saß und in einem Comic-Heft blätterte.
»Er hat schlechte Laune«, rief Leonie gegen den Lärm an. Flavia hielt sich die Ohren zu, und der Mops, der unter dem Tisch geschlafen hatte, verdrückte sich durch die offene Terrassentür.
»O weh«, sagte Leonie und schaute auf die Küchenuhr. Halb sieben, und sie war noch nicht einmal umgezogen. Um acht Uhr begann die Aufführung.
»Kannst du ihn mal halten?«, fragte sie ihren Bruder, der den Kleinen ohne große Begeisterung übernahm. Leander war auf Sebastians Schoß einen Moment lang still und angelte nach Flavias langen Haaren, die ein Stück zur Seite rutschte. Beleidigt begann der Kleine, erneut zu brüllen.
»Manchmal können sie schon eine Pest sein«, stellte Sebastian fest und hob den Jungen über seinen Kopf. Einen Moment lang schaute dieser sich verwundert um. Dann verzog er sein Gesicht erneut zum Weinen. Leonie holte ihr Handy aus ihrer Jeanstasche und klickte sich bis zur Privatnummer Sabine Marians durch. Es ging nur die Mailbox ran.
»Die Milch!«, schrie die Baumelfe und rannte zum Herd, wo der Schaum gerade über den Topfrand schoss.
»Verdammt!« Den Tränen nah, pfefferte Leonie ihr Handy in die Ecke. Leander war so beeindruckt, dass er einen Moment lang zu schreien vergaß.
»Nichts passiert«, sagte Flavia ruhig. Der Topf stand zwar in einem verbrannt riechenden Milchsee, und die Flüssigkeit war fast ganz verkocht, aber im Grunde konnte alles viel schlimmer sein. Mit angeekeltem Gesicht putzte sie über das Ceranfeld und drückte den Schwamm im Spülbecken aus.
»Danke«, sagte Leonie müde und hob ihren Sohn von Sebastians Schoß. Sofort legte er den Kopf in den Nacken und setzte zu einem neuen Schreikonzert an.
»Er wird schon ganz blau«, stellte ihr Bruder fest.
»Das auch, aber im Hals hat er einen roten Rand. Das kann man gut sehen, wenn er den Mund aufreißt.« Flavia legte den Schwamm an die Seite und schob sich neben Sebastian auf die Bank. »Man sieht das Zäpfchen und rundherum steht alles in Flammen.«
»Du meine Güte«,
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