Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Doppelmord an der Autobahnraststätte zuständig war. »Und trotzdem haben alle Panik gekriegt und sich verdrückt. Wem könnte daran liegen, euch den Nachschub abzuschneiden?«
Irina schaute sich um, als hätten auch die Wände Ohren. Dann beugte sie sich über den Tisch und flüsterte ihm die Antwort zu.
»Es geht um die Kinder.«
»Wie viele sind es denn?«, fragte er.
»Drei. Das Geschäft mit den kleinen Mädchen – ich hatte schon länger das Gefühl, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugeht. Nicht die Italiener haben es eingefädelt, sondern andere. Irgendwelche reichen Säcke. Die haben mit den Russen verhandelt, ihnen Geld für den Transport gegeben und die Italiener dabei übergangen.«
»Ölnhausen«, sagte Fabian düster. Wenn die Zeit reif war, klärten sich manche Dinge von ganz allein.
»Möglicherweise.« Irina zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, wer genau es war. Und jetzt haben die Italiener Wind von der Sache bekommen und …« Sie machte eine eindeutige Handbewegung quer über ihre Kehle.
Fabian zog seine eigenen Schlüsse. »Zuerst haben sie Ölnhausen hingerichtet, und dann kümmerten sie sich um die Helfershelfer.«
Irina nickte zögernd. Das russische Mädchen hob den Kopf und schaute sie aus verweinten Augen verständnislos an. Fabian setzte sich zurück, griff nach der Whiskyflasche und nahm selbst einen großen Schluck.
Mafia, dachte er. In offiziellen Kreisen vermied man, dem organisierten Verbrechen einen so klaren Namen zu geben. Dass die Organisation in Baden-Württemberg aktiv war, wurde zwar nicht geleugnet, aber auf möglichst kleiner Flamme gekocht. Die Morde an Ölnhausen und den beiden Russen erforderten professionelle Strukturen, über die ein Einzeltäter oder eine Kleingruppe nicht verfügte. Und die Täter hatten Skrupellosigkeit und Kaltblütigkeit bewiesen. Kurz streifte ihn der Gedanke an Leonie, die völlig naiv in das Thema gestolpert war, und er erstarrte vor Angst um sie. Hatte die umtriebige Chefredakteurin vom Schwabenspiegel von einer brandheißen Sache Wind bekommen? Er musste Leonie unbedingt davon abhalten, unbedacht weiterzurecherchieren. Mühsam schob er seine Gedanken zur Seite und konzentrierte sich auf die Gegenwart.
»Wo finden wir diese Italiener?«
»Keine Ahnung«, sagte Irina hilflos. »Ich hatte zwar mal so einen schweigsamen Typen von denen im Bett, aber sonst weiß ich nichts, weder wie sie heißen, noch wo sie wohnen. Aber es geht auch nicht um sie, sondern um die Kinder. Mischa hat sie mitgenommen. Und ich glaube, er tut ihnen was an.« Sie schniefte leise.
Fabian war schon aufgestanden, bevor sie zu Ende gesprochen hatte. »Wo steckt dieser Kerl?«
Seine Angst um Leonie verwandelte sich in Zorn. Unwillkürlich tastete er nach der Heckler & Koch, die sich im Halfter unter seiner Jacke befand.
»Ich habe keine Ahnung.« Irina war den Tränen nah. »Ich weiß zwar, wo er wohnt, aber ob er die Mädchen da …«
»Wir fahren hin«, unterbrach sie Fabian.
Drei Minuten später saßen sie im Saab, Polina auf dem Rücksitz und Irina neben ihm auf dem Beifahrersitz, von wo aus sie ihn in den Stuttgarter Süden dirigierte. Fabians Hände waren kalt. Beiläufig dachte er, dass er den Türsteher erschießen würde, wenn er die Kinder tot in seiner Wohnung fände. Bald wurden die Straßen enger. Früher war Heslach ein vom Lärm der Ein- und Ausfallstraßen geprägtes Arbeiterviertel gewesen, in dem sich mehrstöckige, von Abgasen geschwärzte Häuser aneinanderreihten. Nachdem man die Bundesstraße unter die Erde verbannt hatte, waren die Wohnungspreise gestiegen. Die Vermieter hatten renoviert und aus den schäbigen Straßenschluchten auf dem Boden des Kessels ein passables Wohngebiet gemacht. Fabian parkte in einer engen Seitenstraße im Halteverbot. Sie stiegen aus, nur Polina nicht, die auf dem Rücksitz in aller Ruhe ihren Rausch ausschlief.
Er folgte Irina in eine schmale Durchgangsstraße mit dreistöckigen Häusern.
»Er wohnt im Hinterhaus«, sagte sie kurz und führte ihn am Vorderhaus vorbei in einen schwäbisch geleckt sauberen Hof mit glänzend geputzten Briefkästen.
»Und was machen wir jetzt?«, wisperte Irina, als sie vor der Klingel standen. Fabian las drei Namen übereinander. Der oberste lautete Mischa Saizew.
»Du klingelst.« Er tastete nach seiner Waffe. »Und dann sagst du, dass du raufkommen willst.«
Irina wurde aschfahl, tat aber, was er verlangte.
»Ja«, meldete sich Mischa. Im Hintergrund bellte
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