Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
sagte Leonie und drehte ihren Sohn nach vorne, um ihm in den Hals zu schauen.
»Buona sera!«
Sie fuhr zusammen, als sie Damiano in der offenen Terrassentür stehen sah.
»Habt ihr die Klingel nicht gehört?«
Musste er immer im unpassendsten aller Momente auftauchen?
»Hallo«, sagte sie müde, schüttete den Rest heiße Milch über den Fertiggries und rührte die klumpige Pampe um. Vielleicht würde der Brei ja mit etwas Apfelmus genießbarer. Leanders Geschrei verklang in einem leisen Wimmern. Damiano hob ihn auf seinen Arm, wo er sofort mucksmäuschenstill wurde.
»Puh«, sagte Leonie, wischte sich den Schweiß von der Stirn und war plötzlich froh, einen Teil der Verantwortung abgeben zu können. »Setz ihn bitte in den Hochstuhl!«, sagte sie. »Er soll seinen Brei essen.«
»Er wird wohl nicht viel mögen«, sagte er würdevoll. »Wenn du noch nicht gemerkt hast, dass er Fieber hat, solltest du seinen Nacken fühlen.«
»Was?«, fragte Leonie entsetzt. Tatsächlich, sein kleiner speckiger Hals war schweißnass und heißer als ihre Hand. Zusammen mit seinen geröteten Mandeln ließ das nur einen Schluss zu. »Er ist krank. Zum ersten Mal in seinem Leben.« Leonie wurde plötzlich schwindlig, und sie ließ sich auf den Rand der Küchenbank fallen. Leander hatte noch nie zuvor Fieber gehabt. Im Winter hatte sie noch gestillt und ihm die nötigen Abwehrkräfte weitergegeben. Dann kam die warme Jahreszeit mit Sonne und frischer Luft, und er hatte sich weiterhin als robustes und gesundes Kind erwiesen. Leonie vermutete insgeheim, dass die Schippe Sand, die er bei jedem Spielplatzbesuch schluckte, ihn besonders abhärtete. Und so hatte sie, während die anderen Mütter sich über Rotznasen und nächtelangen Brechdurchfall beschwerten, bisher noch keine Kinderkrankheiten kennengelernt.
Sie musste sofort mit dem Kind in die Notaufnahme und konnte sicher keine Aufführung besuchen.
»Mach ihm erst einmal einen Tee«, sagte Damiano beruhigend auf Italienisch. »Dann sehen wir weiter. Und bei der Gelegenheit könntest du vielleicht nach einem Fieberthermometer schauen.«
Als Leonie eine Kanne Fencheltee ansetzte, zitterten ihre Hände so, dass sie sich beinahe am Wasserwärmer verbrannt hätte. Wie hatte sie das nur übersehen können? Leanders dunkle Brombeeraugen, die sie von Damianos Schoß aus ansahen, waren tatsächlich ein bisschen glasig, und solche roten Backen hatte er sonst höchstens gehabt, wenn er lange im Schnee gewesen war.
»Ihr seid mit ihm am Mittwoch ins Gewitter gekommen«, stellte sie düster in Richtung Küchenbank fest. »Ist er da nass geworden?«
Sebastian wurde knallrot und vertiefte sich in sein Comic-Heft. »Er kann nichts dafür«, sprang Flavia für ihn in die Bresche. »Der Regen kam so plötzlich, wir waren alle drei in Sekundenschnelle nass.«
»Wenn ich mich einmischen darf«, unterbrach sie Damiano auf Deutsch. »Dass Kinder Infekte haben, ist ganz normal. Sie müssen das sogar erleben, um ein normales Immunsystem zu entwickeln. Wie oft wir mit unserer zweiten Tochter Lucrezia wegen Fieber im Krankenhaus waren, lässt sich kaum aufzählen. Irgendwann geht man nicht mehr sofort zum Arzt, sondern hilft sich selbst.«
Leonie atmete tief durch und stellte die heiße Teeflasche zum Abkühlen ins gefüllte Spülbecken. Er hatte Erfahrung, das erleichterte die Sache erheblich. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass seine Töchter Leanders Halbgeschwister waren. Er hatte sozusagen noch eine Familie in Rom. Wo war nur das Fieberthermometer? Irgendwie musste sie es schaffen, die Vorstellung abzusagen. Und Fabian? Mit dem hatte sie sich doch auch treffen wollen.
Eine halbe Stunde später lag Leander mit einer leichten Decke zugedeckt in seinem Gitterbett. Er hatte gierig getrunken, und das Fieberthermometer hatte 39,8 Grad angezeigt. Trotzdem hatte Damiano ihr geraten, bis zum nächsten Morgen abzuwarten, und seinem Sohn gekonnt ein Fieberzäpfchen verabreicht. Jetzt schlief er ruhig mit offenem Mund und knallroten Bäckchen.
Leonie setzte sich an ihren Schreibtisch und wählte Sabine Marians Nummer. Diesmal erreichte sie die Chefredakteurin sofort. »Natürlich kümmern Sie sich um ihr krankes Kind und gehen nächste Woche ins Theaterhaus«, sagte diese und klang dabei so erschöpft und frustriert, dass Leonie unwillkürlich an die Drohungen der Mafia dachte.
Fabian erreichte sie nach dreimaligem Klingeln. »Grundmann«, sagte er schroff.
»Ich bin’s, Leonie. Ich muss für
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