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Blutiger Sand

Blutiger Sand

Titel: Blutiger Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kneifl
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ins Schleudern und bleibt knapp vor dem Straßengraben auf dem Sandstreifen stehen.
    Schuldbewusst steige ich aus. Ich habe zu viele Roadmovies gesehen. Weiß, wie schnell die Cops hier ihre Colts ziehen.
    „Ich bin zu schnell gefahren. Tut mir leid“, sage ich zu dem großen, dicklichen Officer, der sich, tatsächlich mit der Hand an seinem Halfter, unserem Wagen nähert.
    Sein hämisches Grinsen, als er die Hüften wie John Wayne schwingend auf mich zukommt, macht mich wütend. Doch ich beherrsche mich, lächle ihm unschuldig entgegen.
    „Würden Sie bitte von Ihrem Wagen wegtreten“, schnauzt er mich an.
    Ich sehe mich bereits mit gespreizten Beinen und den Händen auf dem Autodach vor ihm stehen.
    „Papiere!“
    Orlando, der ebenfalls ausgestiegen ist, reicht ihm meinen Führerschein und die Autopapiere.
    Der feiste Typ mustert Orlando lüstern. Mein Freund sieht heute wieder allerliebst aus. Sein enges Röckchen endet kurz über den Knien und unter seinem weißen T-Shirt malen sich seine vollen falschen Brüste deutlich ab. Orlando trägt Brustprothesen.
    „Meine Freundin muss sich erst an die 65-Meilen-Beschränkung gewöhnen. Wir kommen aus Europa. Bei uns darf man schneller fahren“, säuselt er und schenkt dem Sheriff, oder was auch immer dieser Typ für einen Rang hat, einen seiner grandiosen Augenaufschläge. Seine langen künstlichen Wimpern klimpern, was das Zeug hält.
    Es ist unglaublich, wir kommen mit einer Verwarnung davon.
    Erleichtert setze ich mich wieder ans Steuer, während Orlando noch mit dem martialischen Bullen schäkert.
    Als wir endlich weiterfahren dürfen, halte ich mich peinlich genau an die Geschwindigkeitsbeschränkungen. Vor allem als wir uns der Nellis , der Air Force Base nordöstlich von Las Vegas, nähern, bleibe ich brav unter den vorgeschriebenen fünfundsechzig Meilen. Links und rechts des Highways erstreckt sich militärisches Sperrgebiet: „Area 51“.
    „Die US Air Force testet hier ihre Bomben“, unterbreche ich Orlando, der mir von den muskulösen Schenkeln des Highway Patrol Man vorschwärmt. „Bis in die 90er-Jahre haben sie auf dieser Trainingsbasis sogar überirdisch Atombomben getestet. Kein Mensch hat sich damals Gedanken darüber gemacht, wie viel Radioaktivität dabei ausgetreten ist. Angeblich hat man von den Hotels am Strip in Vegas aus die Atompilze aufsteigen gesehen.“
    „Echt geil.“
    „Spinnst du? Was soll daran geil sein.“
    „Verzeih, was hast du gesagt? Ich habe gerade an den Bullen gedacht. Der Typ hat echt scharf ausgesehen.“
    „Wen interessiert das? In den Bunkern dort drüben kontrollieren sie die Jets in Afghanistan …“
    „Jaja, ist schon gut. Ich hab’s kapiert.“
    Wir durchqueren das Amargosa Valley.
    „Die Berge dort drüben sind die Funeral Mountains. Ich hoffe, wir werden bald Zabriskie Point erreichen“, sage ich.
    „Was gibt’s dort zu sehen? Auch Atompilze?“
    Ich gebe Orlando einen Klaps aufs Knie. „Das ist der bekannteste Aussichtspunkt im Death Valley. Die bizarre Landschaft um den ehemaligen Lake Manly ist vor allem durch Michelangelo Antonionis Film weltberühmt geworden.“
    „Was war das für ein Film? Ich glaube, den hab ich nicht gesehen.“
    „Wie bitte? Du hast ‚Zabriskie Point‘ nicht gesehen? Und so was schimpft sich Cineast!“
    „Antonioni kenne ich natürlich …“
    „Eine Hommage an die 68er-Bewegung, und die hast du verpasst? Das glaub ich einfach nicht! Ich bin mir sicher, der Film würde dir gefallen. Die Hauptdarsteller spazieren hier durch diese seltsame Felslandschaft, diskutieren, philosophieren und vögeln sich die Seele aus dem Leib.“
    Orlandos Interesse hält sich in Grenzen. Stattdessen beginnt er über die schreckliche Hitze zu stöhnen.
    Ich habe längst das Dach unseres Wagens geschlossen und die Klimaanlage eingeschaltet, aber die Sonne brennt gnadenlos durch die Scheiben.
    „Mir ist schwindlig. Ich glaube, mir wird schlecht“, jammert er und reißt das Fenster auf seiner Wagenseite auf.
    Heißer Wind bläst Sand herein.
    „Mach sofort wieder zu!“
    Der Zeiger der Benzinuhr steht auf Reserve. Wird es das klapprige Cabrio bis zur nächsten Tankstelle schaffen? Auf unserer Straßenkarte sind die Tankstellen eingezeichnet.
    Ich fahre benzinsparend und hoffe auf Rückenwind. Was für eine Schnapsidee, diese Strecke in der ärgsten Hitze zu fahren. Death Valley wird seinem Namen gerecht. Obwohl ich die Klimaanlage auf die höchste Stufe gestellt habe, bedecken

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