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Blutiger Sand

Blutiger Sand

Titel: Blutiger Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kneifl
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ein Weißer. Ich habe ihn nie kennengelernt.“
    „Ich habe viel Gutes über die Hopi gehört. Sie sollen ein ganz außergewöhnliches und sehr friedliebendes Volk sein.“
    „Wie man es nimmt“, sagt er lächelnd. „Die Hopi haben den spanischen Eroberern am heftigsten von allen Widerstand geleistet. Sie haben sich immer höher und höher in die Berge zurückgezogen und ihre Pueblos auf den Spitzen der Berge errichtet. Doch auch dort waren sie vor den Weißen nicht sicher. Soll ich euch eine wahre Geschichte erzählen?“
    Ich sehe ihn aufmunternd an. Orlando nippt missmutig an seinem Bier.
    „Schulkinder haben einmal die Geschichte der Hopi gezeichnet und darunter geschrieben: ‚Hopi-Krieger kamen zu den Mesas und haben den schwarz gekleideten spanischen Monstern getrotzt. Sie haben die katholischen Priester von den Klippen hinunter in die Schlucht geworfen …‘ – das nur zu unserem Ruf, sehr friedliebend zu sein“, sagt er. „Wir sind jedoch zutiefst spirituelle Menschen. Viele unserer jungen Männer haben den Kriegsdienst verweigert, damals im Vietnamkrieg und auch später.“
    „Warst du beim Militär?“
    Er nickt. Hat aber offensichtlich keine Lust, darüber zu reden.
    „Bei uns gibt es sogenannte ‚White Villages‘. Das sind heilige Stätten. Wer Blut an den Händen hat, darf dort nicht rein oder muss sich zumindest vorher einer Reinigungszeremonie unterziehen, damit die bösen Geister draußen bleiben …“
    „Ihr lebt sehr traditionell?“
    „Die Wüstenregionen im Südwesten der USA sind zuletzt von den Weißen erobert worden, daher haben sich hier die alten indianischen Bräuche und Zeremonien länger gehalten.“
    Orlando starrt weiterhin demonstrativ auf den Fernsehschirm.
    „Eure Ethnologen behaupten, wir wären deswegen so friedliebend, weil wir nach wie vor matrilinear organisiert sind. Die Häuser gehören unseren Frauen. Und alle unsere Stämme sind in Mütter-Clans unterteilt“, sagt Mike lächelnd.
    Die Wirtin bringt uns die Suppe.
    Er scheint hungrig zu sein. Sein Suppenteller ist nach wenigen Minuten leer.
    Die Bohnensuppe ist so deftig, dass ich mein Steak am liebsten abbestellen würde.
    „Die Mütter stillen ihre Babys sehr lange und tragen sie ständig mit sich herum, auch bei der Feldarbeit. Angeblich macht das die Kinder weniger aggressiv“, fährt er fort, uns von seinen Leuten zu erzählen. „Die Männer werden bei einer Geburt aus dem Haus geschickt. Die Mutter bleibt zwanzig Tage im Haus. Danach wird das Neugeborene der Sonne präsentiert. Mit acht Jahren treffen die Buben die maskierten Regengeister und werden ausgepeitscht, nicht zu hart, nur ein bisschen. Eine Art von Exorzismus, verstehst du? Die wirkliche Initiation findet später in der Gruppe statt. Ab dann dürfen die Buben an allen Tänzen, Gesängen und Gebeten für das Wohl des Dorfes teilnehmen.“
    „Und die Mädchen, beziehungsweise die Frauen?“, frage ich.
    „Während die Männer für das spirituelle Leben zuständig sind, haben Frauen die Verantwortung für die materiellen Angelegenheiten. Unsere Frauen sind gute Töpferinnen. Ihre Arbeiten sind mittlerweile sehr gefragt. Das gilt auch für ihre Webereien und ihren Türkisschmuck. Oft sind die Türkise mit Korallen versetzt. Wenn du dich für solchen Schmuck interessierst, kann ich dir nachher im Hotel ein paar schöne Stücke zeigen.“
    „Ja, gerne“, sage ich.
    Orlando verdreht die Augen und stößt mich unter dem Tisch mit dem Fuß an.
    „Die Männer der Hopi haben übrigens nur eine Frau. Scheidungen sind allerdings häufig und sehr einfach abzuwickeln. Das Haus gehört der Frau und das wahre Zuhause des Mannes ist das Haus seiner Mutter.“
    Orlando beginnt zu kichern.
    „Was ist daran so witzig?“, fahre ich ihn an.
    „Das ist bei uns in Europa genauso. Zurück in Mamas Hotel …“
    „Halt den Mund!“
    Mike blickt mich irritiert an. „Die Hopi bleiben meist unter sich, leben selten in den Städten der Weißen. Sie fühlen sich in der Welt der Weißen ziemlich verloren. Lieber betreiben sie auf winzigen Feldern Landwirtschaft, oft sogar viele Meilen von den Pueblos entfernt.“
    Unsere Steaks kommen. Riesige T-Bone-Steaks mit Ofenkartoffeln und Sauerrahm.
    Mir wird allein beim Anblick der über die Teller ragenden Fleischstücke leicht übel.
    Orlando schenkt mir einen angewiderten Blick, als ich trotzdem kräftig zulange. Lustlos stochert er in seinem Caesar Salad herum, der ebenfalls für eine ganze Familie gereicht hätte.

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