Blutiger Sand
bestechlich. Doch der Mord an deinen Eltern hat ihn offenbar nicht losgelassen. Er gibt immer noch jede kleinste, meist unwichtige Information über den Fall an uns weiter, hat er zumindest am Telefon behauptet. Und wir haben im Laufe der Jahre tatsächlich haufenweise Nachrichten von ihm bekommen. Leider waren sie nicht sehr hilfreich.“
Das alte, hübsche und sehr europäisch anmutende Café befindet sich in einer Seitengasse der Plaza, die zur Kirche hinaufführt.
Wir sind als Erste dort.
Orlando und Simon sind große Naschkatzen. Ich betrachte sie neidisch. Beide sind superschlank. Wenn ich so viel süßes Zeug in mich hineinstopfen würde, wie sie es tun, wäre ich eine Tonne.
Kaum haben sie ihre Bestellung bei der Kellnerin abgegeben, mache ich mich über ihre Liebe zu Donuts und anderen Süßigkeiten lustig.
„Ihr zwei seid so richtige Sweethearts“, sage ich. „Habt ihr eigentlich in letzter Zeit mal euren Blutzuckerspiegel kontrollieren lassen?“
Simon und Orlando grinsen sich verschwörerisch an.
Ein alter, übergewichtiger Mann, dem man den Polizisten nach wie vor ansieht, nähert sich mit schlurfenden Schritten und gebeugten Schultern unserem Tisch. Er mustert die anderen Gäste mit kritischem Blick.
Nachdem wir uns alle drei höflich vorgestellt haben, nimmt er den vierten Stuhl, dreht ihn um und setzt sich drauf. Stützt seine Arme auf die Lehne.
Ich rieche seine Fahne, obwohl ich mindestens eineinhalb Meter von ihm entfernt bin. Er sieht aus wie ein schwerer Trinker. Rotgeäderte wässrige Augen, aufgequollene Schnapsnase, geplatzte Äderchen im ganzen Gesicht.
Er bestellt einen Whisky und fragt uns gereizt: „Was wollt ihr von mir? Ich habe euch alles, was ich weiß, schriftlich zukommen lassen.“
„Mit Ihnen reden. Vielleicht fällt Ihnen ja noch etwas ein. Jede Kleinigkeit kann wichtig sein …“
Er geht nicht auf Simons Worte ein. „Dieser Doppelmord bei der Cadillac Ranch in Texas hat mich jahrelang verfolgt“, sagt er.
„Mich auch“, sage ich.
„Sie ist die Tochter des ermordeten Paares.“
„Das hast du mir schon am Telefon gesagt. Ich habe hunderte Fälle aufgeklärt, nur diesen einen nicht. So ist es eben.“
„Wir haben vor kurzem einen der Täter gefasst. Der andere ist, wie gesagt, weiterhin auf freiem Fuß.“
„Tja. Es gibt viele frei herumrennende Verbrecher in unserem Land.“
Ich verschränke die Arme und lege meine Finger über die Oberarme, als wäre mir plötzlich kalt.
„Es gibt eine neue Spur. Ein Kerl, der ‚The Snake‘ genannt wird“, sage ich frostig.
„Kennt ihr seinen richtigen Namen?“ Er sieht Simon an, obwohl ich mit ihm rede.
„Leider nein. Angeblich treibt er sich in den Wüsten New Mexicos und Arizonas herum …“
„Das ist keine neue Spur. Wir haben damals nach einem verrückten grünäugigen Halbblut gefahndet. Aber die Fahndung ist im Sand verlaufen.“
„Davon steht nichts in deinen Berichten. Was habt ihr über ihn herausgefunden?“, fragt Simon.
„Er hat kein Herz gehabt, war ein brutales Schwein und extrem gefährlich. Das haben zumindest die Rothäute behauptet, bei denen er eine Zeit lang gelebt hat.“
„Wo war das?“, frage ich schnell. Mir ist nicht entgangen, dass Simon bei dem Schimpfwort „Rothäute“ zusammengezuckt ist.
„In einem Hopi-Reservat, in der Nähe von Gallup.“
„Und …?“
„Ich bin in Rente geschickt worden. Meine Nachfolger haben sich nicht mehr für diesen alten Fall interessiert.“
Ich bin nahe am Explodieren.
„Aber du hast weiter Nachforschungen angestellt“, sagt Simon betont gelassen. Ich sehe das bedrohliche Funkeln in seinen dunklen Augen.
„– die nichts gebracht haben. Deine Kollegen in Las Vegas haben es nicht einmal der Mühe wert gefunden, sich für meine Hinweise zu bedanken.“ Der Blick, den er Simon bei diesen Worten zuwirft, verrät alles.
Was für ein eitler, frustrierter, alter Mann!
„Ich entschuldige mich für meine Kollegen“, sagt Simon fast devot.
Verblüfft schaue ich ihn an.
„Ich habe alle deine letzten Informationen gelesen. Über einen Mann namens Jimmy ‚The Snake‘ habe ich nichts gefunden.“
„Kein Wunder. Der ist seit einer ganzen Weile tot. Er war im Irak stationiert und ist 2007 bei einem Bombenattentat ums Leben gekommen.“
Ich muss sogleich an den Halbindianer „White Snake“ denken, der ja angeblich ebenfalls im Irak gefallen ist.
Orlando, der seit dem Beginn dieses unerfreulichen Gesprächs geschwiegen hat,
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