Blutiger Sand
weiterfahren.
Ich bestehe darauf, zu Fuß zu gehen. Diese ewige Autofahrerei macht mich krank. Ich habe Rückenschmerzen und einen steifen Nacken.
Das Café ist gut besucht. Alle acht Nischen und die Hälfte der Hocker vor dem Tresen sind besetzt. Wir bekommen einen Tisch in der Mitte. Die beiden älteren Köche hinter der Theke arbeiten wie Besessene. Schieben ihre schmalen Körper mit einer Geschwindigkeit vom Grill zum Kühlschrank und wieder zur Theke zurück, die für Männer ihres Alters absolut erstaunlich ist.
„Du bist eine gute Beobachterin. Habe ich Recht?“, fragt Simon.
„Ich beobachte gern Leute. Wenn ich nur zusehe, halte ich die nötige Distanz und kann mich jederzeit gefahrlos wieder zurückziehen. Glaubst du, sind diese beiden Cowboys am Nebentisch echt?“
Simon nickt.
Ich kann meinen Blick nicht von den ellenlangen kräftigen Kerlen wenden. Sie tragen typische Cowboyhüte, karierte Hemden, Halstücher und eine Art Lederschürze über ihren Jeans. Ihre Stiefel sind sehr spitz und ziemlich verdreckt.
„Hier steht, dass sie die besten Donuts in ganz New Mexico machen!“ Orlando hat die Speisekarte bereits auswendig gelernt, als die Kellnerin uns endlich nach unseren Wünschen fragt.
Außer Donuts bestellt Orlando auch Scones mit Himbeeren.
Ich nehme zwei Spiegeleier, Speck und einen Bagel.
Simon entscheidet sich für zwei verschiedene Donuts.
Der anregenden Diskussion meiner Begleiter über Aussehen und Qualität der Donuts kann und will ich nicht folgen. Möglichst unauffällig beobachte ich weiterhin die beiden Cowboys am Nebentisch. Sie schaufeln Unmengen von pürierten Bohnen, Rührei und Würstchen in sich hinein.
„Wahrscheinlich sind sie die ganze Nacht durchgeritten“, sage ich leise zu mir selbst.
„Die sind nicht echt. Nebenan gibt es einen Shop, in dem Wildwest-Kleidung verkauft wird, hast du den nicht gesehen? Ich will da nachher unbedingt rein“, sagt Orlando, der sich gerade den letzten Bissen von Simons zweitem Donut in den Mund schiebt. „Die haben sich bestimmt gerade neu eingekleidet.“
„Nein, ihre Stiefel sind dreckig und außerdem stinken sie nach Pferdestall“, widerspreche ich.
„Soll ich sie fragen, ob sie echt sind?“ Simon steht auf. Verzieht keine Miene. Er macht womöglich Ernst.
„Bleib sitzen!“ Ich packe seinen Arm und ziehe ihn auf seinen Stuhl zurück.
Er schaut sich nach der Kellnerin um. Als sie endlich auf seinen Blick reagiert, gibt er ihr zu verstehen, dass wir mehr Kaffee möchten.
Sofort kommt sie herüber zu unserem Tisch und schenkt uns nach.
Wir besprechen kurz unsere Reiseroute und brechen dann auf. Simon bezahlt das fürstliche Frühstück und geht auf die Toilette.
Vor der Eingangstür stolpern Orlando und ich beinahe über einen Indianer. Er hat seinen Hut tief ins Gesicht gezogen, sitzt mit dem Rücken an die Mauer gelehnt auf dem kalten Pflaster und raucht einen Joint. Die Asche lässt er zwischen seine Füße fallen.
„Mike?“
Als Mike Logan aufsieht, erschrecke ich beinahe. Er ist ganz fahl im Gesicht. Seine Augen sind blutunterlaufen. Er stiert mich fast blöde an.
„Was ist los mit dir? Bist du krank?“ Ich packe ihn an der Schulter und rüttle ihn leicht.
Orlando deutet mir etwas. Ich verstehe seine Geste nicht.
„Er ist auf Drogen“, sagt Orlando auf Deutsch. „Lass ihn in Frieden.“
„Er wird sich den Tod holen. Das Pflaster ist saukalt.“ Mike trägt wieder seine dünne Jacke und zerschlissenen Jeans.
Ich versuche, ihn hochzuzerren.
„Shit“, murmelt er. Steht aber auf. Schaut mich nach wie vor mit irrem Blick an, so als würde er mich nicht kennen.
Als Simon in der Tür aufkreuzt, macht er sich rasch aus dem Staub.
„Was war denn das?“, frage ich Orlando.
„Dein geliebter Mike Logan!“
Am liebsten würde ich Orlando eine schmieren.
Es bleibt mir nichts anderes übrig, als Simon von Mike zu erzählen.
Sein Blick gefällt mir nicht. Obwohl ich mit keinem Wort erwähnt habe, dass ich Mike sympathisch finde, wirkt er fast ein wenig wütend, als ich ihm von unseren Erlebnissen mit diesem Hopi berichte.
Wir gehen zu Fuß zur Plaza von Taos, die sich gleich ums Eck befindet. Die kleine Galerie von Yellow Cloud liegt am Anfang des Platzes.
Nachdem wir den Künstler begrüßt haben, bittet Simon uns, allein mit ihm reden zu dürfen.
Orlando und ich sehen uns einstweilen die Auslagen der benachbarten Geschäfte an.
„Was ist los?“, fragt Orlando. „Bist du etwa sauer auf
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