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Blutiger Sand

Blutiger Sand

Titel: Blutiger Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kneifl
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Simon zwinkert mir zu.
    „Das stimmt nicht. Gäste dürfen bei mir rauchen. Nur Ben nicht. Wenn er raucht, säuft er auch. Er säuft sich zu Tode“, sagt Esther, der Simons Zwinkern nicht entgangen ist.
    „Musst du nicht kochen gehen, Tante?“, fragt Simon lachend und tätschelt liebevoll ihre feiste Wange.
    Kichernd geht sie ins Haus.
    „Die beiden und ihre Nachkommen sind meine einzigen noch lebenden Navajo-Verwandten. Ben ist der Bruder meiner verstorbenen Mutter. Väterlicherseits habe ich viele Cousins und Cousinen. Die sehe ich noch seltener. Die Ho-Chunk wohnen zu weit weg. Ben und Esther haben sich nach dem Tod meiner Eltern sehr lieb um mich gekümmert. Ich war sechzehn, als mein Vater von einem Drogendealer erschossen worden ist. Meine Mutter hat seinen Tod nicht lange überlebt. Ist ein Jahr später an gebrochenem Herzen gestorben. Dass ich aufs College gehen konnte, habe ich allein Ben und Esther zu verdanken. Sie haben mir auch den Besuch der Universität und der Police Academy ermöglicht. Die Army hat zwar die Studiengebühren bezahlt, für meinen Lebensunterhalt hat aber Ben gesorgt. Wenn ich sehe, wie armselig sie hier leben, krieg ich immer Schuldgefühle.“
    Rund um das Haus sieht es tatsächlich nicht sehr einladend aus. Graublaues Abwasser sickert durch eine Lehmrinne neben der Hütte. Der Hof ist mit staubigem Unkraut bewachsen. Vor der Hütte steht ein Tisch unter einem Sonnendach aus Zeltstoff.
    Bald riecht es verführerisch nach Knoblauch und Lorbeer und anderen Gewürzen, die meine Nase nicht identifizieren kann.
    „Was gibt es zu Mittag?“, fragt Orlando misstrauisch.
    Ben, der sich wieder zu uns gesellt hat, sagt: „Ziegenfleisch mit Chili.“
    Bevor Orlando den Mund aufmachen kann, sage ich rasch auf Deutsch: „Sei still, ich regle das“, und gehe ins Haus.
    In der Küche schmort in einem großen Tontopf das Zicklein in einer rotbraunen Sauce vor sich hin.
    Esther schält Kartoffeln. Ich frage sie, ob ich ihr helfen darf.
    Sie verneint.
    „Meine Freundin darf leider kein Fleisch essen“, sage ich verlegen. „Sie hat ein Problem mit ihrem Magen.“
    Sie mustert mich mit gerunzelter Stirn.
    „Du lügst schlecht.“ Esther gibt mir einen Klaps auf die Schulter. „Dein hübscher Freund ist Vegetarier, oder?“
    Ich spüre, wie ich erröte. Am liebsten würde ich Orlando erwürgen.
    „Ich mache ihm eine garantiert vegetarische Tortilla, okay? Unser Enkel Manuel hat auch gerade diese Phase. Seit er in die Schule der Weißen geht, isst er kein Fleisch mehr.“
    Während des Essens unterhalten sich Simon und seine Verwandten über die Familie. Wir erfahren, dass ihre Tochter Alice geheiratet und sich wieder scheiden hat lassen. Ihr Mann hatte anscheinend nichts getaugt. War faul und geldgierig, und wollte bei den Weißen leben. Ein Jahr später hat Alice von einem anderen Mann, einem verheirateten Mexikaner, ein Kind bekommen. Einen Sohn, der mittlerweile in die erste Klasse geht. Esther hat nur abfällige Worte für den Vater ihres Enkels übrig.
    Simons Cousine scheint ihren Eltern jede Menge Probleme zu bereiten, denke ich.
    Als Esther Kaffee kochen geht und Ben kurz in seinem Trailer verschwindet, um Tabak für seine Pfeife zu holen, sagt Simon: „Meine Cousine Alice ist halt sehr lebenslustig und ein bisschen wild. Sie scheint mehr nach ihrem Vater geraten zu sein. Zum Glück auch vom Aussehen her. Sie arbeitet im Roadhouse Grill in Flagstaff als Kellnerin. Esther und Ben haben sich bisher um den kleinen Manuel gekümmert. Er ist ein aufgeweckter Junge und der absolute Liebling der Alten. Wenn er bei ihnen ist, hält sich Ben sogar mit der Sauferei zurück. Seit der Kleine zur Schule geht, müssen die beiden wieder allein miteinander zurechtkommen.“
    Wir trinken Kaffee aus Emailbechern. Esther hat Orlando ihren Schaukelstuhl auf der schmalen Veranda vor dem Haus überlassen. Die beiden scheinen sich prächtig zu verstehen. Er nennt sie höflich „Ma’am“. Sie verwöhnt ihn mit selbstgebackenen Süßigkeiten. Orlando lässt sich die Rezepte geben.
    Simon und Ben sind mittlerweile bei ihren Vorfahren gelandet. Ich höre lieber ihnen zu als Esther und Orlando.
    Simons Großvater mütterlicherseits war Code Talker im Zweiten Weltkrieg.
    Als Simon mein Interesse bemerkt, sagt er: „Vierhundert Navajos haben mit Hilfe ihrer Sprache einen unknackbaren Code für die US -Armee im Südpazifik erfunden. Bens Vater, mein Großvater, der große Black Hawk, war einer von ihnen.

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