Blutiger Sand
Gekläffe.
„Was ist da los?“ Orlando ist aufgeschreckt.
„Wilde Hunde. Aber die sind weit weg. Außerdem werden wir von einem Special Agent des FBI bewacht.“ Ich kichere blöde.
Als Orlando wieder eingeschlafen ist, schleiche ich mich aus dem Zelt und gehe zu Simons Wagen. Lege mich zu ihm.
Er schläft noch nicht. Nimmt mich in den Arm. Das Schiebedach ist offen. Schweigend betrachten wir den Sternenhimmel.
Er zeigt mir Capella, das Zeichen der Cassiopeia. Den Großen und den Kleinen Bären, Jupiter und Venus, die Milchstraße und die Myriaden anderer Sterne, die das Firmament erleuchten.
Zärtlich streicht er über meinen rechten Handrücken. Seine Fingerspitzen spielen mit meinem Handgelenk. „Du hast sehr schöne Hände.“
Ich nehme meine Hand nicht weg. Überlasse sie ihm.
Seine Lippen streifen mein sonnenverbranntes Gesicht. Ich schließe die Augen, genieße seine Zärtlichkeit. Seine Hände wandern weiter, streicheln meinen Hals. Dann berührt er jede Stelle, die er mit seinen Fingern gestreichelt hat, mit den Lippen. Seine Finger verfangen sich in meinem Haar. Seine Liebkosungen haben nichts Drängendes, nichts Forderndes.
Ich sehne mich nach mehr. Beginne unmerklich zu zittern, aber ich rühre mich nicht, habe Angst, dieses wunderbare Gefühl würde aufhören, wenn ich mich bewege. Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und bedeckt es erneut mit Küssen, beginnt bei meiner Stirn, geht über zu den Schläfen, den Augen, den Wangen. Dann erst suchen seine Lippen meinen Mund. Ein harter, verzweifelter Kuss.
Ich stoße ihn weg, bin total verwirrt.
Er presst seinen Körper an meinen.
Ich wehre mich nicht mehr, als er mich aus dem Wagen hebt, in eine Decke wickelt und mich ans Ufer des Flusses trägt. Eng umschlungen versinken wir im Sand. Lachend graben wir die Decke gemeinsam wieder aus, schlingen sie um unsere Schultern und liegen eine Weile regungslos nebeneinander. Ich weiß nicht, ob Minuten oder Stunden vergangen sind, als ich aufzustehen versuche.
Er bittet mich zu bleiben.
„Ich muss gehen. Orlando wird mich vermissen.“
„Na und? Du musst nicht gehen, Katharina.“ Er spricht meinen Namen mit seltsamem Akzent aus. „Wir können hier bleiben, so lange wir wollen. Für immer, wenn du willst.“
Feucht und schwül bricht der Tag an. Als ich am sandigen Ufer des Rio Grande erwache, hockt Simon bereits zusammengekauert an einem kleinen Feuer vor seinem Jeep und versucht, in einem Topf Wasser für löslichen Kaffee heiß zu machen.
Ich blinzle im frühmorgendlichen Sonnenlicht. Sehe, wie sich die Landschaft aus dem grauen Licht schält: flaches Land, unendliche Weite und dahinter im Osten die dunklen Umrisse der Berge, hinter denen die Sonne aufgeht. Die Berge beginnen zu leuchten. Rosa, fast blau.
Simon hebt den Kopf und blickt mich forschend an.
Ich gebe ihm einen Guten-Morgen-Kuss auf die Wange, bevor ich mich zu ihm setze.
Leichter Wind kommt auf.
Ein magerer brauner Köter streunt vor dem Zelt, in dem Orlando schläft, herum. Pinkelt ausgiebig an das Vorderrad des Jeeps und trottet wieder davon.
Ich schlage vor, uns im Minimarket am Campingplatz Frühstück zu besorgen. Simon fährt mich hin, nachdem wir mit dem scheußlichen Kaffee die Wiese gedüngt haben.
Am Campingplatz ist die Hölle los. Noch vor Simon erblicke ich das gelbe Absperrband, das über die Einfahrt zum Campingplatz gespannt ist. Hundert Meter weiter verbreitert sich die zweispurige Piste zu einer weiten Grasfläche, die verstopft ist mit Autos: ein alter blauer Lieferwagen, drei Streifenwagen der Highway Patrol und ein nagelneuer Ford.
Simon steigt aus und zeigt dem Deputy, der bei der Absperrung steht, seinen Ausweis.
Auch ich verlasse den Jeep und gehe zu den beiden Männern.
„Heute Nacht ist hier ein Doppelmord verübt worden“, sagt Simon.
„Nein, das darf nicht wahr sein!“
„Es scheint, als würde uns der Killer verhöhnen.“
Mein sechster Sinn hat mich gestern Abend also nicht getäuscht. Er war in unserer Nähe. Er hat uns beobachtet. Hat vielleicht gesehen, wie Simon mich küsste und streichelte. Mir wird schlecht. Am liebsten würde ich mich übergeben. Doch ich habe nichts im Magen, was ich von mir geben könnte. Warum hat dieses feige Schwein nicht uns angegriffen? Wahrscheinlich hatte er Schiss davor, einen FBI -Beamten zu attackieren. Aber wieso sollte er wissen, dass Simon vom FBI ist? In meinem Kopf dreht sich alles. Ich versuche, mich zusammenzureißen.
Simon verlangt den
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