Blutiger Segen: Der 1. SEAN DOYLE Thriller (German Edition)
sie mit viel Schwung hoch, sodass sie den Mauerrand erreichte. Sie hielt sich daran fest und schielte zu ihm nach unten.
»Haben wir freie Bahn?«, wollte er wissen.
Georgie sah sich um. In der Dunkelheit ließ sich nur schwer etwas erkennen. Weite Teile des Grundstücks waren dicht bewaldet. Die Bäume würden ihnen Deckung geben.
»Es sieht ziemlich gut aus«, sagte sie. »Aber wie zum Teufel willst du mit einer verletzten Schulter an dieser verdammten Mauer hochklettern?«
Doyle antwortete nicht. Er holte ein paar Schritte Anlauf, dann spurtete er auf die Mauer zu, sprang ab und klammerte sich mit den Fingern an den Steinen fest. Er biss die Zähne zusammen und zog sich Zentimeter für Zentimeter in die Höhe, bis er den Rand erreicht hatte. Georgie hielt eines seiner Beine fest, um ihm beim letzten Schwung auf den oberen Mauerrand zu helfen. Er blieb einen Moment lang japsend liegen und massierte dabei seine Schulterwunde. Sie hatte erneut zu bluten angefangen. Georgie hielt ihm ein Taschentuch hin, und er stopfte es sich unter den Pullover und presste es auf die Wunde.
»Ein glatter Durchschuss. Hätte er den Knochen getroffen, wäre es wesentlich schlimmer.«
Sie blieben noch einen Moment auf der Mauer sitzen und wappneten sich für den Sprung. Um die dreieinhalb Meter, schätzte Doyle.
Er sprang zuerst, landete gut, rollte sich im feuchten Gras ab und fluchte, als seine Schulter gegen einen Baumstumpf stieß. Er kam auf die Beine und winkte Georgie, ihm zu folgen. Sie hechtete ebenfalls von der Mauer, und Doyle half ihr beim Aufstehen und pflückte ihr ein welkes Blatt aus den Haaren.
»Alles okay?«, fragte er leise.
Sie lächelte ihn an und nickte.
Gemeinsam liefen sie zum Haus.
Der Fahrer des Lasters bemerkte den Streifenwagen der Garda, der die Zufahrt zum Anwesen versperrte, sofort. Er trat aufs Bremspedal. Hinter ihm sah der Fahrer des Mercedes die Bremslichter aufflackern und folgte seinem Beispiel.
Callahan streckte den Kopf aus dem Rückfenster, um nachzusehen, was los war. Der Garda-Beamte lief zum Lastwagen und sprach mit dem Fahrer.
»Hallo«, rief der Engländer. Der Uniformierte kam zum Mercedes herüber. »Was geht hier vor?«
»Sind Sie Mr. David Callahan?«, fragte der Mann.
Der Engländer nickte.
Der Polizist begann mit einer Erklärung der Ereignisse, so gut er konnte und mit so viel Takt wie möglich. Tja, dachte er, wie konnte man jemandem mit Feingefühl beibringen, dass sein Haus bei einer Schießerei verwüstet und seine Frau entführt worden war? Callahan verlangte, durchgelassen zu werden. Der Wagen in der Einfahrt setzte zurück, und der Lastwagen und der Mercedes fuhren durch das Tor und die Auffahrt zum Haus entlang. Der Mercedes überholte den Lastwagen, weil Callahan den Fahrer drängte, sich zu beeilen.
Im Schutz der Bäume hörte Georgie das nahende Motorengeräusch und blinzelte durch die Düsternis. Augenblicke später sah sie Scheinwerferlicht in der Nacht aufblitzen. Sie stieß Doyle an und zeigte auf den schnell fahrenden Wagen.
»Ich glaube, Mr. Callahan ist zu Hause«, sagte sie leise und mit einem Lächeln auf den Lippen. »Ich hoffe, er ist noch in der Stimmung für eine Unterhaltung.« Sie gingen weiter, mittlerweile näher am Haus, aber durch die Bäume immer noch gut getarnt.
Sie sahen, wie der Mercedes vor der Haustür anhielt. Callahan sprang aus der Limousine und lief zum Haus.
Er hielt inne, als er sich der mit Einschusslöchern gespickten Eingangstür näherte, und bekam Herzklopfen. Im Flur fanden sich weitere Einschusslöcher. Eingetrocknetes Blut auf dem Teppich. Überall lagen Porzellansplitter und Mauerteile herum. Der Staub des von Wänden und Decke abgesprengten Verputzes hing immer noch in der Luft. Callahan eilte die Treppe hinauf, wurde jedoch auf halbem Weg von einem Sergeant der Nationalpolizei aufgehalten. Der breitschultrige Mann hatte Hände wie Schweinshaxen. In einer der Pranken hielt er ein Funkgerät.
»Wo ist meine Frau?«, wollte Callahan wissen, sein Gesicht mittlerweile sehr blass.
»Das wissen wir noch nicht, Sir.« Der Sergeant kam ihm auf den Stufen entgegen.
»Wer hat sie entführt?«
»Auch das wissen wir nicht. Wir haben mit Ihrem Personal gesprochen, aber die Leute haben kaum etwas gesehen. Sie waren viel zu verängstigt. Ich kann’s ihnen nicht verdenken. Wir haben sie in ein Hotel im Ort gebracht. Sie wollten nicht hier bleiben. Wenn ich Sie wäre, würde ich ebenfalls woanders übernachten. Nur heute.
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