Blutiger Segen: Der 1. SEAN DOYLE Thriller (German Edition)
Fantasie, redete er sich ein und fand, dass solche philosophischen Überlegungen mitten in der Nacht fehl am Platz waren.
Cath kniete jetzt neben dem Fenster und betrachtete das Gesicht des Kindes, das von der Klaue festgehalten wurde, eingehender. Sie wischte weiteren Staub weg.
»Ich warte im Wagen auf dich«, verkündete Channing gereizt, und sie hörte ihn durch den Mittelgang der Kirche poltern.
Cath betrachtete das Gesicht auf dem Fensterglas und fuhr mit der Kuppe ihres Zeigefingers darüber, um die Gesichtszüge besser erkennen zu können.
Irgendwas ...
Channing murmelte vor sich hin, als er stolperte und beinahe über eine Bank im Mittelgang fiel.
... ist vertraut ...
Er hörte ein schrilles Kreischen vor sich, als die Kirchentür aufschwang.
Ein paar flüchtige Sekunden lang blinzelte er in die Finsternis, während der Wind draußen heulte und der Mond durch die Wolkendecke brach.
... an dem Gesicht ...
Eine dunkle Gestalt füllte den Torbogen der Kirche aus.
Dunkel und massiv.
»Was zur Hölle ...«, murmelte Channing, während er nach seiner Taschenlampe tastete.
»Cath!«, rief er, während er sie einschaltete und hin und her schwang.
Die Kirche wurde von einem Geruch erfüllt, der ihm fremd war.
Einem Geruch nach Verwesung.
Und er wurde immer stärker, drang in seine Nasenhöhlen ein.
Er hörte Schritte, spürte eine Bewegung.
»Cath!«
Er wich zurück.
Im Altarraum blinzelte Cath, während sie weiterhin die Gesichtszüge des Kindes in dem Fenster nachzuzeichnen versuchte.
Sie kannte dieses Gesicht .
Sie hörte, wie nach ihr gerufen wurde. Sie registrierte den üblen Gestank.
Als sie den Schrei im Kirchenschiff hörte, wandte sie sich um. »Mark«, rief sie, stand auf und warf noch einen letzten Blick auf das Fenster. Auf das Gesicht des Kindes.
Dabei stockte ihr der Atem.
Das Gesicht des Kindes hatte sich zu einer Grimasse des Entsetzens verzerrt. Das Kind schrie.
Doch es handelte sich nicht länger um das Gesicht eines Kindes.
Sondern um das Gesicht von Mark Channing.
27
Sie rief seinen Namen, als sie sich mit schweißgebadetem Körper aufsetzte.
Als sie langsam aus dem Albtraum erwachte, stieß sie einen tiefen Seufzer aus, eine Kombination aus Furcht vor den Bildern, die ihren Verstand bestürmten, und Erleichterung darüber, dass das Erlebnis lediglich in ihrem Unterbewusstsein stattgefunden hatte.
Jetzt beugte sie sich vor, eine Hand an der Kehle, und spürte den Schweiß an ihren Fingern.
Sie hätte beinahe wieder geschrien, als sie die Gestalt neben ihrem Bett stehen sah.
Im Halbdunkel und unter dem Einfluss des soeben Geträumten gelang es ihr nicht, sich auf die Gestalt zu konzentrieren, und diese neuerliche Aufregung ließ ihr Herz noch heftiger hämmern.
Sie brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es Channing war.
»Gottverdammt«, murmelte sie, während ihre Hand von der Kehle zur Brust fuhr. Sie spürte, wie ihr Herz gegen ihre Rippen pochte.
»Bist du okay?«, fragte er. »Ich habe dich schreien gehört.«
Sie schluckte und nickte, dann warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr.
2:14 Uhr.
»Ich bin okay. Nur ein böser Traum. Ich hatte keinen Albtraum mehr, seit ich ein kleines Kind gewesen bin.« Sie holte ein paarmal tief Luft, als ihr bewusst wurde, dass nur das Laken, das sie um sich gerafft hatte, ihre Nacktheit vor Channings Blicken schützte. Sie zog es in einer Geste übertriebener Sittsamkeit bis zum Hals hoch. Die Geste kam ihr angesichts der Tatsache, dass sie früher ein Liebespaar gewesen waren, übertrieben vor. Der Gedanke wurde rasch beiseitegedrängt. Die Bilder des Traums kehrten zurück, und sie schaltete die Nachttischlampe ein, als könnte die Helligkeit ihre Verbannung beschleunigen.
Als der Lichtschein auf Channings Gesicht fiel, erkannte sie, wie blass und abgespannt er aussah. Die Ringe unter seinen Augen wirkten so dunkel und tief, als habe sich ein verrückter Tätowierer mit dunkler Tinte rings um die blutunterlaufenen Augen zu schaffen gemacht.
»Du siehst ziemlich schlecht aus, Mark, falls du mir die Bemerkung erlaubst.« Sie merkte selbst, wie unbeholfen ihre Worte klangen. »Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe.«
»Ich war bereits wach«, erklärte er. »Ich habe auch schlecht geträumt.«
Sie zuckte die Achseln.
»Ich habe geträumt, dass ich mich in der Kirche befand. Ich konnte alles so deutlich sehen wie dich jetzt.« Er setzte sich auf die Bettkante.
»Was genau hast du gesehen?«, wollte er
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