Blutiger Spessart
Ansonsten verschwand Schmitt so spurlos, wie er gekommen war.
Eine Stunde später erhielt Michelangelo Trospanini von Schmitt einen Anruf, der ihn äußerst betroffen machte. Kaum hatte er das Gespräch beendet, warf er sich in seinen Wagen und raste unter Missachtung jeglicher Geschwindigkeitsbegrenzung zu Don Emolino.
19
Steffi verließ die Praxis für Physiotherapie, in der sie arbeitete, kurz nach zwölf Uhr. Sie hatte sich umgezogen, weil sie in der Mittagspause auf der anderen Mainseite joggen wollte. Sie setzte sich in ihr Auto, das sie in der Nähe geparkt hatte, und fuhr über die Mainbrücke auf die andere Seite des Flusses. Dort stellte sie ihren Wagen ab und stieg aus. Nachdem sie mit geübten Griffen ihre Haare mit einem Zopfgummi zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst hatte, machte sie einige Dehnübungen, setzte sich anschließend den Kopfhörer ihres MP3-Players auf und lief flussaufwärts los. Es war zwar ziemlich warm, aber sie trug nur leichte Shorts und ein luftiges T-Shirt, sodass die Hitze ganz gut zu ertragen war. Als geübte Läuferin hatte Steffi nicht vor, es zu übertreiben. Sehr schnell fand sie ihren Laufrhythmus, was durch die Musik von
Genesis
gefördert wurde.
Nach ungefähr dreihundert Metern fiel ihr durch Zufall ein schwarzer Geländewagen auf, der gute hundert Meter entfernt auf der parallel zum Mainweg verlaufenden Verbindungsstraße auf ihrer Höhe fuhr. Die MSP11 zwischen Hofstetten und Kleinwernfeld war eine relativ wenig befahrene Nebenstraße, die sich zwischen Main und Wald entlangschlängelte. Für einen Augenblick kam es ihr so vor, als würde sie aus dem Fahrzeug heraus beobachtet. Sie verwarf diesen Gedanken aber wieder, da das Fahrzeug wenige Augenblicke später beschleunigte und kurz darauf außer Sicht war.
Steffi lief ein lockeres Tempo, das sie kaum anstrengte. Auf einer Pferdekoppel standen drei Haflinger und sahen ihr neugierig hinterher. Sie hatte sich vorgenommen, zwei Kilometer in Richtung Kleinwernfeld zu laufen und dann wieder umzukehren. Das genügte, um ihren Kreislauf in Schwung zu bringen. Die Praxis, in der sie arbeitete, verfügte neben einem Aufenthaltsraum auch über ein Bad mit Dusche, sodass sie sich nach dem Lauf wieder frisch machen konnte.
Bald näherte sie sich einem dichten, breiten Heckenstreifen, der sich quer über das Feld fast rechtwinkelig vom Weg zum Wald hinzog. Ihr MP3-Player spielte gerade den rhythmischen Song »We can’t dance«. Automatisch passte sie ihren Laufstil dem Takt des Liedes an.
Gerade wollte sie beschwingt die Hecke passieren, da bemerkte sie dahinter einen großen schwarzen Schatten. Verwundert stellte sie fest, dass es sich vermutlich um den Geländewagen handelte, der vorhin auf der Straße fuhr. Ehe sie näher darüber nachdenken konnte, wurde sie von hinten gepackt. Zwei kräftige Arme schlangen sich um ihren Oberkörper. Sie fühlte sich, als wäre sie in einen Schraubstock geraten. Steffi stieß einen Schrei aus und begann, um sich zu treten. Da stieg ein maskierter Mann aus dem Fahrzeug und eilte auf sie zu. Im gleichen Moment, als sie sich losgelassen fühlte, berührte er sie mit einem Gegenstand, und ein schrecklicher Schmerz fuhr durch ihre Muskeln. Halb betäubt und völlig gelähmt, wurde sie von ihrem Überwältiger aufgefangen und rückwärts zum Fahrzeug gezerrt. Bevor sie auf die Rücksitzbank gesetzt wurde, fesselte der zweite Kerl ihre Arme an den Oberkörper und ihre Füße mit widerstandsfähigem Kunststoffklebeband und klebe ihr auch einen Streifen über den Mund. Zu guter Letzt zog er ihr einen lichtundurchlässigen Stoffsack über den Kopf und verfrachtete sie ins Fahrzeug.
Die ganze Aktion, bei der die zwei Männer kein Wort gesprochen hatten, dauerte keine drei Minuten. Nachdem sich die beiden Entführer davon überzeugt hatten, dass sie unbeobachtet geblieben waren, setzte sich einer neben Steffi und der andere hinters Steuer. Sekunden später rollte das Geländefahrzeug auf die Straße.
Steffis Lähmung ließ nach wenigen Minuten nach. Jetzt erst nahm sie richtig zur Kenntnis, in welchem Zustand sie sich befand. Trotz ihrer Schmerzen begann sie, an ihren Fesseln zu zerren und mit den Beinen zu strampeln. Da sie wegen des Knebels nicht sprechen konnte, stieß sie, so gut es mit verschlossenem Mund möglich war, spitze Töne aus, die eigentlich Schreie sein sollten.
Ohne Vorwarnung erhielt sie erneut einen schmerzhaften Stromstoß, der sie schlagartig wieder verstummen ließ.
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