Blutiger Spessart
sicher, dass der unbekannte Eindringling ein von Kerner geschickter Profi war. Er wunderte sich jedoch über den Schuss durch das Autofenster. Der Killer hätte das doch direkt aus nächster Nähe erledigen können. Trospanini seufzte. Auf diese Frage würde er wohl keine Antwort bekommen.
Trospanini war von vornherein gegen die Entführung der jungen Frau gewesen. Emolino hätte Kerner einfach erledigen und sang- und klanglos verschwinden lassen sollen, dann wäre die Sache längst aus der Welt gewesen. Allerdings hätte der Alte dann wohl nie erfahren, wo die Leiche seines Sohnes abgeblieben ist.
Trospanini zog sein Handy heraus und rief Michele an. Er musste die beiden Männer warnen. Wahrscheinlich war der Killer Kerners bereits zu ihnen unterwegs. Sie sollten die Frau an einer Stelle freilassen, wo sie gefunden wurde. Die Entführung machte ja jetzt keinen Sinn mehr.
Nach mehrfachem Läuten ging die Mailbox dran. Trospanini versuchte es ein zweites Mal. Da meldete sich eine weibliche Stimme: »Hier Rettungsassistentin Yüksel. Wer ist da bitte?«
Trospanini überwand seine Überraschung und entgegnete: »Ich bin der Arbeitgeber von Michele Riccardino. Was ist passiert?«
»Der Besitzer dieses Handys, wie Sie sagen, Michele Riccardino, wird von uns gerade ins Kreiskrankenhaus nach Karlstadt gebracht. Er ist schwer verletzt, schwebt in Lebensgefahr und ist nicht ansprechbar. Da war noch ein zweiter Mann, den wir ebenfalls abholen ließen. Wenn Sie nähere Einzelheiten wissen wollen, wenden Sie sich doch bitte an das Krankenhaus oder noch besser an die Polizei.«
Trospanini überlegte einen Augenblick, dann fragte er weiter: »Und wie geht es der Frau?«
Zunächst blieb die Leitung stumm, dann entgegnete die Rettungsassistentin: »Welcher Frau? Da war keine Frau, nur die beiden Männer.«
Trospanini bedankte sich knapp und unterbrach das Gespräch. Wieder stieß er einen Fluch aus. Matteo hatte es also ebenfalls erwischt. Die Geisel war verschwunden, befreit von Kerners Killer. Der Bursche war verdammt gut, sonst hätte er niemals zwei seiner besten Männer ausschalten können.
Verdammter Mist! Die beiden waren jetzt ein Problem. Er musste dafür sorgen, dass sie bei der Polizei die Klappe hielten.
Aber da gab es eine noch viel größere Schwierigkeit: Was sollte er jetzt mit Emolinos Leiche machen? Polizei kam nicht in Frage. Die würde die Lage mit Begeisterung ausnutzen und die ganze Organisation Emolinos auf den Kopf stellen. Das durfte nicht geschehen!
Unter Druck lief Trospanini zur Hochform auf. Sein analytischer Verstand entwarf in dieser Phase höchster Anspannung einen wagemutigen Plan, der, wenn er gelang, vor allem ihm eine großartige Zukunft versprach.
Er wählte eine Nummer und gab einige knappe Anweisungen. Trospanini hatte für solche oder ähnliche Fälle ein paar Männer an der Hand, die ihm absolut treu ergeben waren. Sie waren Spezialisten, Cleaner, Experten für das spurlose Verschwindenlassen von Leichen. Die beiden Männer würden in einer knappen Stunde da sein und den Tatort gründlich aufräumen.
Die Organisation des Emolino-Klans sah es sowieso vor, dass er als Consigliere während einer Abwesenheit des Paten die Geschäfte führte. Nachdem Ricardo und Mallepieri nicht mehr da waren, war der Consigliere dazu berufen, zunächst die Führung der Organisation zu übernehmen. Später, wenn sich alles beruhigt hatte, konnte er dann Don Emolino beerben. Dieser Übergang musste allerdings mit großer Vorsicht, gewissermaßen schleichend erfolgen. Rings herum lauerten andere Paten nur darauf, dass Emolino schwächelte, um sein Gebiet zu übernehmen. Trospanini dachte dabei besonders an Don Pietro aus Würzburg. Erst einmal musste er hier die Zügel fest in den Händen halten, dann konnte man das bedauerliche Ableben von Don Emolino bekannt geben.
Nach Trospaninis Vorstellung würde man ab morgen folgende Nachricht streuen: Don Emolino hat überraschend eine Auslandsreise in die USA unternommen und ihm derweil die Geschäfte übertragen. Das war durchaus glaubwürdig. So konnte sich Don Emolino für einige Zeit den Ermittlungen der Polizei entziehen. Die Ermittler würden zwar Gift und Galle spucken, weil sie trotz der Überwachung die Abreise nicht bemerkten, aber das war nicht Trospaninis Problem.
Bis jetzt wussten nur Giovanni, er und der unbekannte Killer von Emolinos Tod. Die beiden Cleaner würden schweigen, da hegte er keinen Zweifel. Verschwiegenheit war ihre
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