Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
schwieg, sprach man ihn am besten nicht an, sondern genoss die Ruhe. Jetzt schien die Frau aber am Ende ihrer Standpauke angekommen zu sein.
»Männer auf Flachtfeld nicht weinen. Gnunt treffen, Männer ...«. Er verdrehte die Augen und streckte die Zunge seitlich aus seinem Mund.
Cindiel traute dem Oger diese besonders perfide Art von Humor nicht zu, deshalb lachte sie nicht und nahm das Gesagte für bare Münze.
Gnunt hatte sich auf den Boden gesetzt und sich mit dem Rücken an einen der bizarr gewachsenen Bäume gelehnt. Das Gehölz sah aus wie abgestorben, wären da nicht die stacheligen Samen gewesen, die von den wenigen fingerdicken Astenden herunterhingen. Einige dieser Früchte waren bereits heruntergefallen, und Gnunt schien nichts Besseres vorgehabt zu haben, als sie mit dem Fuß wegzuschießen - jetzt steckte ein Teil der Stacheln tief in seiner Haut.
Die Natur hatte wieder einmal einen Weg gefunden, ihr Überleben zu sichern. Offensichtlich dienten die mit Widerhaken besetzten Stacheln der Samen dazu, von größeren Tieren im Fell mitgeschleift zu wurden, um dann andernorts wieder zu keimen. Außerdem stellte die Pflanzenbewaffnung sicher, dass die Früchte in dieser kargen Gegend nicht gefressen wurden. Nur an eines hatte die Natur nicht gedacht - an einen verspielten Oger mit Füßen so groß wie Schweinetröge. Die stachelige Frucht hatte sich mit ihren Dornen tief in Gnunts großem Zeh verankert und wollte sich nur noch widerwillig von ihm trennen. Cindiel hatte bereits den größten Teil entfernt, nur noch ein Stachel war übrig, aber der hatte es in sich.
»Halt jetzt endlich still«, fauchte sie ihn an. »Wenn du ewig so herumwackelst, bekomme ich den Stachel nie zu fassen. Denkst du, es ist angenehm, wenn du mir deine stinkenden Füße ins Gesicht hältst?«
»Gnunt waffen geftern in Teich«, hielt der Oger dagegen.
Cindiel konnte sich noch zu gut an den blubbernden grünen Morast erinnern, in dem Gnunt herumgesprungen war, als ob er ein Verjüngungsbrunnen wäre. Es hatte sie allein schon Überwindung gekostet, nur in die Nähe zu gehen. Jetzt hatte sie den fauligen Geruch abermals in der Nase, gepaart mit jahrelang getragenen Ogersandalen.
»Wahrscheinlich putzt du dir die Zähne auch mit Grassoden«, zischte Cindiel und versuchte, den Oger damit in Verlegenheit zu bringen.
Einen Wimpernschlag später präsentierte Gnunt einen angespitzten Holzsplitter, dessen Spitze vom häufigen Gebrauch zerfasert war wie ein alter Pinsel. Es war nur ein kleiner Trost, aber jedenfalls hingen keine Essensreste daran, dachte Cindiel.
Cindiel nahm sich vor, nie mehr auf das Hygieneverhalten der Oger einzugehen. Gnunt und Tastmar hatten sie schließlich begleitet, um sie und den Stein zu beschützen, und nicht, um vor Hofe vorzusprechen. Was ihre kämpferischen Qualitäten anging, war sie sich sicher, dass die beiden allen Anforderungen genügen würden. Sie riskierten ihr Leben für eine junge Frau, die sie nicht kannten, und für einen magischen Splitter, dessen Macht ihnen immer verborgen bleiben würde. Warum sollten sie dann nicht auch ihren Spaß mit den Matschgruben haben, die sich im Süden der Wüste überall fanden und die teilweise größer waren als der Markplatz in Osberg und übler rochen als die Gassen in Turmstein.
Cindiel stieß mit einer Hand vor, packte Gnunts großen Zeh, als ob der eine giftige Schlange wäre, und drehte den mit Widerhaken besetzten Stachel mit der anderen Hand heraus. Angewidert warf sie den Dorn weg.
»Und, war das nun so schlimm?«, fragte sie.
Gnunt saß da mit vorgeschobener Unterlippe und einem Blick, der einem bettelnden Hund alle Ehre gemacht hätte.
»Wohl«, brummte er und zog seinen Fuß zurück, um sich die unsichtbare Verletzung noch einmal genau zu betrachten.
»Was ist, können wir jetzt endlich weiter?«, rief Hagrim, der versuchte, den Abstand zwischen den beiden und Tastmar in der Waage zu halten. »Wir haben noch einige Meilen vor uns, und der Weg läuft sich nicht von allein.«
Tastmar war bereits vorausgelaufen und kundschaftete die Umgebung aus. Hagrim versuchte, zwischen ihm sowie Cindiel und Gnunt Blickkontakt zu halten. Sein Kopf tauchte in regelmäßigen Abständen über einem der Sandhügel auf, um sich zu vergewissern, dass die Hexe und der kindsköpfige Oger nicht zurückblieben, und verschwand kurz danach, um Tastmars Alleingang weiterzuverfolgen. Er kam ihr vor wie ein junger Hund, der einem Hasen hinterherhetzte, aber auch darauf
Weitere Kostenlose Bücher