Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)
müden Knochen, vielleicht brauchen Gnunt und Tastmar unsere Hilfe.«
Sie erklommen bereits den sandigen Hügel in der Richtung, aus der die Geräusche zu kommen schienen, als Hagrim ihr Anliegen verstand.
»Wenn sie unsere Hilfe brauchen«, wiederholte Hagrim ihre Worte. Er packte sie am Arm und hielt sie zurück. »Tut mir leid, Prinzessin, aber vor meinem inneren Auge will sich einfach keine Szene formen, in der die beiden Hünen unterlegen sind und unsere Anwesenheit dies ändern würde. Alles, was wir dazu beisteuern könnten, wären zwei blutige Flecken auf rotem Sand. Findest du nicht, es ist schlauer, wenn wir uns verstecken und abwarten?«
»Wir würden nur darauf warten, dass sie uns finden«, entgegnete Cindiel. »Wenn es die Söldner sind, wissen sie genau, dass wir uns hier aufhalten, und würden uns früher oder später sowieso ausfindig machen.«
»Und wenn es nicht die Söldner sind, sondern Orks oder Trolle?«
»Ich höre Pferde wiehern. Trolle und Orks reiten nicht auf Pferden«, hielt sie dagegen.
Während Cindiel weiter den Hügel hinaufkrabbelte, fiel Hagrim noch so manches Argument gegen ein Eingreifen ein, doch die junge Hexe war nicht mehr zu bremsen.
Die Söldner hatten auch keine Pferde. Trolle und Orks reiten zwar nicht auf Pferden, aber sie essen sie gern. Die Priester könnten sich zu Pferd auf die Suche nach uns gemacht haben. Reiten zu können schließt nicht aus, Hexen und Geschichtenerzähler zu töten, schwirrten Hagrim die Gedanken durch den Kopf.
Cindiel stand bereits oben auf der Höhe, als Hagrim abermals den Halt im lockeren Sand verlor. Sein noch schlaftrunkener Körper reagierte zu langsam, und er stürzte mit dem Gesicht voran in die rote Erde. Fluchend spuckte er aus und klopfte den Dreck ab.
»Du brauchst nicht auf mich zu warten«, beschwerte er sich. »Es ist schon in Ordnung, wenn sie mich zuletzt töten. Eilt ihr ruhig alle eurem Verderben entgegen, mir reicht es schon, wenn ich mir den Weg hier hinauf spare, bevor sie mich abmurksen. Wer ist schon so dumm, im Schweiße seines Angesichts sein eigenes Grab auszuheben?«
Hagrim stellte mit Beruhigung fest, dass Cindiel auf dem Hügel verharrte, womit sie seine Befürchtungen Lügen strafte. Wenn sie sich tatsächlich in Gefahr befänden, hätte die Hexe bereits reagiert. Untätigkeit passte nicht zu ihr, sie wurde eher von einer Neigung zu leidenschaftlichen Überreaktionen geplagt, wie die Ereignisse von Osberg bewiesen.
»Hört auf! Lasst sie in Ruhe«, schrie Cindiel entsetzt und rannte den Hügel hinunter.
Immer noch ohne zu wissen, was auf der anderen Seite vor sich ging, hatte Hagrim es geschafft, die Anhöhe zu erklimmen. Keuchend hockte er sich hin und besah sich das Schauspiel, das sich ihm bot. Cindiel prügelte mit beiden Fäusten auf Gnunt ein. Die Schläge trafen den Oberschenkel des Ogers wie ein Trommelwirbel, doch schienen sie ihn nicht sonderlich zu beeindrucken. Zumindest verunsicherten sie ihn.
Gnunt und Tastmar standen vor einem der grünlich braunen Tümpel, mit langen knorrigen Ästen bewaffnet, und stießen Männer und Pferde zurück in den Sumpf. In dem Durcheinander konnte Hagrim fünf Reittiere und sechs Reiter ausmachen. Er ging davon aus, das einige der stinkenden Blasen, die auf der Tümpeloberfläche zerplatzten, von dem fehlenden Pferd stammten. Wenn es weiterhin nach den Ogern ginge, würden bald nur noch Blasen zu sehen sein, ob nun von Mensch oder Tier. Cindiel ließ jedoch keinen Zweifel an ihren eigenen Plänen und nutzte nun auch ihre Füße, um ihr Anliegen durchzusetzen.
»Haut ab, lasst sie in Ruhe«, wiederholte sie erneut. »Ihr dummen, fetten Scheusale, helft mir, sie aus dem Tümpel wieder herauszuziehen. Schmeißt endlich die Knüppel beiseite.«
Die beiden Oger hatten einige Verständnisprobleme. Die vielen verschiedenen Anweisungen brachten sie aus dem Konzept. Tastmar warf verunsichert seinen Ast weg, während Gnunt den seinen wieder aufnahm und ihn einem der Männer in dem sumpfigen Teich entgegenstreckte.
Vier der fünf Pferde schwammen bis zum Hals in der grünen Brühe. Das letzte stand mit den Hinterläufen noch am Ufer, während sein Reiter versuchte, sich an den Zügeln des Tieres aus dem Sumpf ziehen zu lassen. Das Gewicht des Mannes war zu schwer, und sein Pferd kam ihm nur in der Weise entgegen, dass es seine eigene Schnauze von dem stinkenden Schlamm fernhielt. Die anderen Männer dümpelten hilflos neben ihren Reittieren und klammerten sich an
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