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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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konnte Mogda die Richtung ausmachen. Er legte seinen Kopf in den Nacken und sah hoch zum Krähennest, wie die Männer den Ausguck nannten. Ingert hing am Ausleger des Großmastes rund zehn Fuß entfernt von seinem Ausguck. Die Kollision musste ihn über die niedrige Reling geworfen haben, und er hatte sich an das dünne Tauwerk und den schmalen Stieg geklammert. Mit der Zeit hatte seine Kraft nachgelassen, und die Vereisung ließ ihn immer wieder zurückrutschen, wenn er versuchte, sich zurück zum Krähennest zu ziehen.
    »Was Hüttenbauer machen da?«, fragte Nolka. Die Ogerin stand hinter Mogda und schien belustigt über die akrobatischen Versuche des Seemanns, zurück in den Ausguck zu gelangen.
    »Er hält Ausschau nach Eisbergen«, gab Mogda zurück.
    Nolka schaute über die verstreuten Trümmer auf dem Deck und dann wieder hoch zu Ingert. »Hüttenbauer nicht guter Späher für Eis. Anderer Hüttenbauer besser vielleicht.«
    »Er arbeitet daran.« Mogda sah hinüber zu Mo.
    Der Steuermann hatte Ingert auch entdeckt, zeigte aber nur wenig Mitleid mit dem Mann. »Wie können wir ihm helfen?«, fragte Mogda.
    An Mos hartem Blick sah Mogda, dass ihm Ingerts Schicksal gleichgültig war. »Er ist eingeschlafen und hat uns alle in Gefahr gebracht«, erklärte Mordigwel. »Ich werde keinen guten Seemann opfern, um einen Taugenichts von dort oben herunterzuholen.«
    »Kann man nichts machen?«, hakte Mogda nach, der anscheinend der Einzige war, dem Ingerts brisante Lage naheging.
    »Doch, natürlich«, sagte Mo und zeigte ein bösartiges Grinsen. »Nicht dort stehen, wo er aufschlägt.«
    »Ich werde dich auffangen, Ingert«, rief Mogda hoch.
    Nolka trat erschrocken einen Schritt zurück. Der Hüttenbauer hing fast sechzig Fuß über ihnen. Den Mann aus der Höhe aufzufangen konnte das Todesurteil für beide bedeuten. Jeder Oger, der einmal an den Katapulten gearbeitet hatte, wusste um die Wucht von Geschossen, und Ingert würde nichts anderes sein. Sein vielleicht anderthalb Zentner schwerer Körper würde durch die Planken brechen wie ein Stein, und er würde jeden mitreißen, den er traf.
    »Mogda verrückt«, fauchte Nolka ihn an. »Werden sterben, wenn Hüttenbauer fallen.« Um sie herum hatten sich schon Keuchel, Tinnert, Josch und Griss versammelt, um dem Spektakel beizuwohnen. Die Männer standen einen Augenblick da und besahen sich den hilflos zappelnden Ingert hoch oben über ihnen. Anscheinend wussten sie, was zu tun war, denn Tinnert und Griss liefen hinüber zum Vordeck, bis Mo sie stoppte.
    »Auf eure Plätze, habe ich gesagt«, schnaufte der Steuermann vor Wut. »Habt ihr nichts zu tun? Das Schiff ist leckgeschlagen. Wenn ich euch nicht gleich mit Eimern Wasser schöpfen sehe, verspreche ich euch, dass die Fahrt noch länger und härter wird, als sie ohnehin schon ist. Glaubt ihr, ich würde es bedauern, euren Huren in Sandleg zu erzählen, dass ihr das nasse Grab gefunden habt?«
    »Aber Ingert«, stotterte Tinnert.
    »Um Ingert wird sich gekümmert«, entgegnete Mo. »Ihr habt doch gehört, der Oger will ihn auffangen wie einen Apfel, der vom Baum fällt. Vielleicht fällt er ihm ja in den Schlund, genau wie reife Trauben.« Sein Lachen klang gehässig, aber es passte zu ihm.
    Mogda sah wieder hoch zu dem hilflosen Mann im Ausguck. Ingert verließen die Kräfte. Das Seil, an dem er hing, hatte er sich in die Armbeuge geklemmt und seine Hände vor der Brust gefaltet. Er hatte aufgegeben zu versuchen, den rettenden Korb wieder zu erreichen. Mogda musste ihn dazu bringen, nach unten zu schauen, damit er seinen Sturz kontrollieren konnte. Wenn die Kraft ihn erst vollends verlassen hatte oder er sogar bewusstlos stürzte und ins Taumeln kam, konnte ihn auch ein Oger nicht fangen, ohne sein und Ingerts Rückgrat zu brechen.
    »Ingert, sieh herunter zu mir«, rief Mogda ihm zu. »Du musst dich nur fallen lassen und die Arme ausbreiten, damit ich dich packen kann.«
    Mogdas Anweisungen kamen zu spät. Die Bark legte sich erneut in den Wind und schrammte abermals an den gewaltigen Eisschollen entlang. Der Ruck überstieg Ingerts Kräfte. Seine Finger öffneten sich, der Arm rutschte ab, und er stürzte in die Tiefe. Im selben Moment blähte sich das Großsegel auf, hüllte Ingert für einen kurzen Moment ein und schleuderte ihn von sich. Er trudelte durch die Luft wie die weggeworfene Puppe eines Kindes. Ein Ausleger fuhr herum, legte sich leeseits und stieß mit Ingert zusammen.
    Der drahtige Mann wickelte

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