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Blutiges Echo (German Edition)

Blutiges Echo (German Edition)

Titel: Blutiges Echo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Langsam drehte er sich um und ging auf sein Zimmer. Er schaltete den kleinen Ventilator ein, legte sich aufs Bett und starrte den Wasserfleck an der Decke an, der aussah wie ein Bärenschädel mit geöffnetem Maul. Es gab noch einen anderen Wasserfleck, gleich daneben. Der sah aus wie eine Maus. Die Maus schien auf das Bärenmaul zuzurennen, das still und ruhig wartete und gleich zuschnappen würde. Eiskalt.
    Seine Mutter erschien im Türrahmen.
    »Alles in Ordnung, mein Schatz?«
    »Ja, Mom. Alles in Ordnung.«
    »Wir hätten dir das nicht zeigen sollen.«
    »Nein, ist schon gut, ich lese immer die Zeitung.«
    Das tat er wirklich. Letztes Jahr hatte er damit angefangen, als sie in einem Schulfach aktuelle Tagesereignisse durchnahmen. Und es deprimierte ihn immer. Ständig tötete oder verletzte oder bestahl oder belog irgendjemand jemand anderen.
    »Dieser Mann erinnert dich einfach nur an irgendwen«, sagte sie.
    »Ja. Bestimmt. Hat mich bloß irgendwie fertiggemacht.«
    »Möchtest du ein Glas Wasser?«
    »Nein.«
    »Wir haben auch Coca-Cola, wenn du magst.«
    »Nein danke, ich will nichts.«
    Sie strich ihm über die Hand und lächelte ihn an. Er versuchte ihr Lächeln zu erwidern.
    »Also … na gut. Ruf mich, wenn du was brauchst, ja?«
    »Jepp.«
    Sie ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
    Nach Einbruch der Nacht betrat sein Vater das Zimmer. Dunkelheit hatte sich übers Bett gebreitet. Durch ein paar Risse in der Außenwand drang der Wind herein, was im Sommer ganz angenehm war. Im Winter allerdings war es die Hölle. Aber eigentlich fand Harry sein Zimmer ganz okay. Wenigstens hatte er sein eigenes Reich. Joey schlief auf einem Sofa in einem Haus, das noch weiter heruntergekommen war, und da drüben machte sich erst gar niemand die Mühe, es gemütlich einzurichten.
    »Du bist bestimmt sauer«, fing Dad an und legte sich im Dunkeln neben Harry aufs Bett, sodass die alte Matratze einsank. Harry spürte die Hand seines Vaters neben sich. Er sah nicht hin und berührte sie nicht, doch er spürte die Hitze, die sie abstrahlte, und er wusste, dass sie kurze Finger hatte und dick wie ein Baseballhandschuh war, völlig vernarbt wegen unzähliger Abrutscher mit dem Schraubenschlüssel, die ihm unschöne Begegnungen mit Radbolzen und scharfkantigem Metall beschert hatten.
    »Mir geht es nur gerade nicht so gut.«
    Harry starrte beim Sprechen an die Decke und betrachtete den Bärenkopfwasserfleck, der jetzt kaum noch zu erkennen war. Die Maus konnte er gar nicht ausmachen.
    Vom Flur fiel ein schwacher Lichtschimmer ins Zimmer, doch die Dunkelheit war stärker. Sie drängte das Licht hinaus.
    »Bist du sicher, dass du diese Leute schon mal gesehen hast? Die aus der Zeitung?«
    »Ja, Sir. Ich glaube schon. Ich weiß nicht genau.«
    »Kann ja sein, dass du sie gesehen hast, und es ist nur schon lange her. Und dann hast du später vielleicht von ihnen geträumt, verstehst du, oder es kommt dir jedenfalls so vor, obwohl du dich eigentlich bloß daran erinnert hast, wie du sie gesehen hast. Ich kenn mich mit solchen Sachen nicht aus, aber so könnte es gewesen sein. Unten am Hügel, da könnten dir die beiden über den Weg gelaufen sein, meinst du nicht?«
    »Kann sein.«
    »Du nimmst dir das zu sehr zu Herzen, diesen Traum. Das bringt nichts.«
    Ja, dachte Harry, für dich ist es einfacher. Du stellst dich den Dingen, die auf dich zukommen. Du packst sie an den Hörnern, drückst sie zu Boden und versohlst ihnen den Arsch.
    »Hör zu, schlaf erst mal eine Nacht drüber, und dann ist das Ganze vergessen.«
    »Ich weiß.«
    »Willst du was zum Abendbrot?«
    »Schaden kann’s nicht.«
    »Hey, ich weiß was. Wie wär’s, wenn ich Mom ausnahmsweise mal bitte, dir einen Teller herzubringen? Du kannst auf deinem Zimmer essen, dich ein bisschen hinlegen. Einfach ausruhen.«
    »Klar, Dad, das wäre toll.«
    »So machen wir’s«, beschloss er und rollte sich vom Bett, sodass Harry ganze fünf Zentimeter emporgehoben wurde.
    Daddy drehte den kleinen Ventilator höher. Er quietschte und pustete ein bisschen Wind in Harrys Richtung. Sein Vater lächelte. Ein schiefes Lächeln, als wüsste er nicht richtig, wie es ging.
    »Du wirst schon wieder«, sagte er und ging hinaus.
    Tatsächlich machte es irgendwie Spaß, auf dem Zimmer zu essen, allein zu sein, sich Zeit zu lassen, am Fenster zu sitzen und in die Nacht hinauszublicken.
    In seiner Familie gab es eine Regel, und die lautete, dass am

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