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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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sich nicht ganz darauf konzentrieren. Seine Gedanken waren bei den Ereignissen von vor mehr als zehn Jahren, bei dem allergrößten Fehler seiner ganzen beruflichen Laufbahn – seinesganzen Lebens im Grunde. Sie hatten von da an jeden Augenblick seines Lebens überschattet, und jetzt bedrohten sie, obwohl er versucht hatte, es wieder gutzumachen, sein Zuhause. Sein Refugium, ja, doch zwischen der emotionalen Labilität seiner Frau und den Anforderungen seines Berufs keine uneinnehmbare Festung.
    »Entschuldige, was hast du gesagt?«
    »Ich hab gesagt, dass Kelly vor ein paar Stunden anrief. Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist? Was war das für eine Karte?«
    Cardinal stopfte die Karte in seine Tasche. »Nichts. Für den Papierkorb. Schon erstaunlich, wie Kelly es schafft, immer dann anzurufen, wenn ich nicht da bin. Sie muss das Haus observieren lassen.«
    »Sag nicht so was, John. Sie hat nach dir gefragt. Ich glaube wirklich nicht, dass Kelly es fertig brächte, jemandem für längere Zeit zu grollen. Zumindest nicht dir.«
    »Hm.«
    »Sie hat eine neue Wohnung gefunden. Sie zieht mit jemandem zusammen ins East Village. Sie sagt, es ist ein bisschen schmuddelig, aber auszuhalten.«
    »Warum sie überhaupt unbedingt in New York leben muss, wissen die Götter. Mich würden keine zehn Pferde dahinkriegen. Toronto war schon schlimm genug.«
    Cardinal ging ins Badezimmer und ließ die Dusche so heiß laufen, wie er es eben aushielt, um sie dann nach und nach kälter zu drehen. Der heiße Wasserstrahl hob seine Stimmung ein bisschen, doch seine Gedanken kreisten immer noch um die Ereignisse vor zwölf Jahren. Er hatte eine Grenze überschritten, und als er den Fuß zurückziehen wollte – hinter die Stelle, an der er noch mit sich im Reinen gewesen war, ganz und gar im Reinen –, da zeigte sich, dass die Grenze ein gähnender Abgrund war.
    Cardinal zwang sich, an die Gegenwart zu denken, an dieFarce im Loon Lodge. Er erinnerte sich, dass ihm einen Moment, bevor er angegriffen wurde, ein diffuser Gedanke durch den Kopf gegangen war. Als er sich jetzt abduschte, kam der Gedanke wieder. Er galt Wudky.
    Er trocknete sich ab, wickelte sich in einen dicken Bademantel und ging ins Wohnzimmer zum Telefon.
    »Delorme? Cardinal am Apparat.«
    »Cardinal, wissen Sie, wie spät es ist? Ob Sie’s glauben oder nicht, ich hab auch noch ein Privatleben.«
    »Nein, haben Sie nicht. Ich hab über Wudky nachgedacht. Sie wissen ja, dass er behauptet hat, Paul Bressard wäre ermordet und irgendwo im Wald verbuddelt worden.«
    »Wudky ist geistig zurückgeblieben. Das weiß jeder. Es erstaunt mich, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, seine Geschichte zu überprüfen.«
    »Aber sehen Sie sich mal an, was wir haben. Wir haben einen Amerikaner, der im Wald aufgefressen wurde, stimmt’s? In der Nähe einer alten Trapperhütte, stimmt’s? Und Paul Bressard ist ein Trapper.«
    »Stimmt. Und Wudky hat behauptet, Paul Bressard wär ermordet worden, und Wudky hat sich geirrt.«
    »Und wieso? Weil Wudky der Welt dümmster Krimineller ist. Und wieso noch? Weil Wudky an dem Abend, als er die Geschichte hörte, eine Menge getrunken hatte. Aber nehmen wir mal an, Wudky hat die Sache auf den Kopf gestellt. Nehmen wir mal an, Paul Bressard hätte einen Touristen im Wald getötet und ihn im Wald verschwinden lassen. Das würde viel eher Sinn ergeben, oder? Vielleicht hat er ihn sogar aus Versehen getötet und versucht, die Sache zu vertuschen.«
    »Ich für meinen Teil glaube nicht, dass man einen Kerl aus Versehen an die Bären verfüttert. Nicht mal, um etwas zu vertuschen.«
    »Aber das ist genau das, was sich ein Trapper einfallen lassen könnte. Jemand, der genau weiß, wo die Bären sind.«
    »Vermutlich. Ja, Sie könnten da auf der richtigen Spur sein.«
    »Sagen Sie das nur, um den lästigen Anrufer loszuwerden?«
    »Nein. Aber ich dachte, Sie hätten schon mit Bressard geredet.«
    »Hab ich auch. Und er machte einen vollkommen unschuldigen Eindruck. Andererseits war ich ja nur da, um zu sehen, ob er noch am Leben ist.«
    »Vielleicht sollten wir uns noch einmal mit ihm unterhalten. Matlock war Amerikaner. Das heißt, wir müssen mit den Mounties zusammenarbeiten.«
    »Erinnern Sie mich bloß nicht daran.«
    Cardinal ging ins Badezimmer zurück und trocknete sich die Haare ab. Jetzt hatte er eine Idee. Eine Richtung. Als er ins Schlafzimmer kam, lag Catherine unter der Decke und schlief fest. Neben ihr war ein dickes Buch aus der

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