Blutiges Eis
miteinander aus. Das kann die Sache nur beschleunigen.«
»Mag sein«, sagte Chouinard. »Aber ich kann hier nicht zu viele Köche gebrauchen.«
»D. S., ich wäre gerne mit von der Partie«, sagte Delorme. »Es macht mir nichts aus, mit Musgrave zu kooperieren.«
»Tut mir leid. Cardinal, Sie sind der Ranghöhere, und Sie sollten daher auch der Partner unseres geschätzten Sergeants sein.«
»Ich glaube wirklich nicht, D. S., dass das im Moment so eine gute Idee wäre.«
»Wieso? Ist er sauer auf Sie? Wieso in aller Welt sollte einer von den Mounties, der in Sudbury stationiert ist, auf einen Detective in Algonquin Bay sauer sein?«
»Sie vergessen, dass er mir letztes Jahr die ganze Dienststelle auf den Hals gehetzt hat.«
»Ach so, nein, das ist nicht fair«, sagte Chouinard in seiner ach so vernünftigen Art. »Er hatte gute Gründe anzunehmen, dass es eine undichte Stelle bei uns gibt, und wie sich herausstellte, lag er richtig. Er hatte lediglich den falschen Mann im Auge, weiter nichts.«
»Klitzekleine Nebensache«, sagte Cardinal. »Sollte mich gar nicht kratzen.« Was ihn im Moment viel mehr kratzte, war der Umstand, dass ihm gestern Abend ein junger Mountie die Waffe abgenommen hatte.
Chouinard schwieg eine Weile, wobei sein weiches Gesicht fast unmerklich zuckte, als ob er im Kopf ein paar Gleichungen löste. Und als stellten die Rechenaufgaben plötzlich ein physisches Problem dar, drehte er sich ein paarmal auf seinem Sessel herum, verlagerte einige der juristischen Schwarten von einer Fensterbank auf die andere, um jeden Rücken nachdenklich zu betrachten, bevor er das Buch wegstellte. Als er sich wieder zu ihnen umdrehte, machte er ein fröhlicheres Gesicht.
»Es gibt also böses Blut zwischen Ihnen und den Berittenen«, sagte er. »Das ist bedauerlich. Aber tatsächlich können wir uns gar keine bessere Gelegenheit wünschen, um die Sache mit den Rotröcken auszubügeln. Sie werden also mit den Mounties arbeiten. Sehen Sie einfach zu, dass Sie ihnen geben, was Sie haben – und Sie und Musgrave werden sich ab sofort prächtig verstehen. Das ist dem Fall ebenso dienlich wie den langfristigen Interessen unserer Dienststelle.«
»Aber ich glaube, D. S., Ihnen ist nicht klar, wie schwerwiegend das Verhältnis zwischen Musgrave und mir gestört ist.«
»Dann wird es höchste Zeit, es wieder einzurenken. Es ist Ihr Problem. Es gibt folglich keinen Besseren, es auszuräumen, als Sie, oder sehe ich das falsch?«
Obwohl der Anruf bei Musgrave eigentlich auf seiner Agenda ganz oben hätte stehen sollen, schob Cardinal ihn auf. Stattdessen rief er die Gerichtsmedizin in Toronto an, wo er Vlatko Setevic von der chemischen Abteilung an den Apparat bekam. Auf zwei Dinge konnte man bei Vlatko zählen. Zum einen war er ein unverbesserlicher Workaholic, morgens der Erste und abends der Letzte im Büro und nicht eher zufrieden, als bis er eine Sache vom Tisch hatte. Zum anderen war er launisch. Vlatko lebte seit den Sechzigern in Kanada und war ein ausgeglichener Zeitgenosse gewesen, bis in den Neunzigern Jugoslawien zerfiel. Seitdem hatte sich sein sonniges Gemütverdüstert und stand des Öfteren auf Sturm. Er konnte witzig sein, aber auch unausstehlich; man wusste einfach nie, woran man mit ihm war. Cardinal fragte ihn nach der Lackprobe, die sie ihm geschickt hatten, und wappnete sich schon einmal für eine Schlechtwetterfront.
»Lackprobe? Ich hab keine Lackprobe bekommen. Jedenfalls nicht aus Algonquin Bay.«
»Sollten Sie aber, sonst gibt es ziemlichen Ärger. Sie wollen doch nicht etwa behaupten, ihr hättet überhaupt kein …« Ein polterndes, slawisches Lachen dröhnte durchs Telefon.
»Entspannen Sie sich, Detective! War nur ein kleiner Scherz. Ich hab Ihre werte Lackprobe vor mir.«
»Ungeheuer witzig, Vlatko. Mit dem Humor könnten Sie glatt zur Royal Canadian Air Farce .«
»Immer so verspannt, euer nordischer Schlag. Sie sollten’s vielleicht mal mit Yoga versuchen – dann ruhen Sie in sich, werden eins mit dem Universum.«
»Sagt meine Frau auch immer. Was haben Sie für uns?«
»Sie haben tatsächlich Glück. Die Farbe entspricht dem so genannten Walnussbraun, das Ford erst seit letztem Jahr beim Explorer spritzt. Neue Serie. Sie suchen demnach einen Explorer von diesem Jahr, einen Explorer mit einer dicken Schramme.«
»Da geht mir ja das Herz über, Vlatko. Weiter so.«
»Andererseits haben Sie auch wieder Pech. Allein in Kanada hat Ford davon, über den Daumen gepeilt,
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