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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Vorsichtsmaßnahme.«
    Ms. Gale führte sie in das Behandlungszimmer, das genauso aussah wie Behandlungszimmer in tausend anderen Praxen:helles, fluoreszierendes Licht, Töpfchen mit Wattetupfern und Zungenspatel, ein Poster mit der Ernährungspyramide an der einen Wand und eins mit einer anatomischen Darstellung an der anderen sowie eine kleine Messinguhr mit dem Firmenlabel PROZAC darauf.
    Ms. Gale zeigte auf die Untersuchungsliege. »Sehen Sie das Liegenpapier? Nach jedem Patienten reißt Winter das benutzte Papier ab und stopft es in den Abfalleimer, bevor sie ein neues Stück abrollt. Auf diese Weise bekommt jeder neue Patient eine frische, saubere Auflage.«
    »So sieht es jetzt aus«, sagte Delorme.
    »Aber so war es nicht, als ich heute Morgen reinkam. Sie war verkrumpelt und ganz schön zerrissen. Also hab ich ein neues Stück abgerollt und das gebrauchte in den Mülleimer geworfen.«
    »Den hier?« Delorme wies auf einen hohen, offenen Mülleimer unter der Arbeitsplatte.
    »Hm. Das ist er.«
    »Hat sonst noch irgendetwas nicht gestimmt?« Delorme zeigte auf die Behälter mit den Wattestäbchen und Zungenspatel.
    »Na ja, nur Kleinigkeiten. Auf der Arbeitsplatte lag eine Verbandsrolle, die in einen Schrank gehört, und daneben stand ein Desinfektionsmittel.«
    »Und die waren nicht da, als Sie gestern Abend Schluss gemacht haben?«
    Ms. Gale zuckte ein wenig zusammen. »Na ja, ich bin mir nicht hundertprozentig sicher. Montags wird es meistens ziemlich spät, und manchmal will ich einfach nur so schnell wie möglich raus hier. Tut mir leid.«
    Delorme ging zu einem kleinen Abfalleimer aus Chrom hinüber und trat auf den Fußhebel. »Wann wird der geleert?«
    »Jeden Abend. Manchmal auch tagsüber.«
    »Und was ist mit dem, was jetzt drin ist?«
    »Da dürfte eigentlich nichts drin sein.« Ms. Gale kam näher und schielte in den Kanister. Er enthielt eine Verbandsschutzhülle. »Die war da gestern Abend noch nicht drin, da bin ich mir sicher.«
    »Wie sicher? Erinnern Sie sich, den gestern Abend ausgeleert zu haben?«
    »Ja. Ich hab ihn gerade rausgeschafft, als Winter ›dann bis morgen‹ sagte.«
    »Und wenn ein Patient spät am Abend einen Notfall hätte? Sagen wir, um Mitternacht. Was wäre dann?«
    »Sie meinen, wenn er sich bei Winter melden würde? Sie würde ihm nur sagen, dass er den Notarzt anrufen soll. Eine gewöhnliche Praxis ist auf Notfälle nicht eingerichtet.«
    »Gehen wir einmal davon aus, jemand ruft sie an und sagt, ihm wären seine Tabletten ausgegangen – so was in der Art.«
    »Also, er würde eigentlich nicht bei ihr zu Hause anrufen, weil ihre Nummer nicht im Telefonbuch steht. Und wenn er hier anriefe, bekäme er eine Durchsage, dass er sich an den Notarzt wenden soll.«
    »Okay«, sagte Delorme. »Gehen wir erst mal ins Wartezimmer zurück. Wir wollen hier möglichst nichts durcheinander bringen.«
    »Dann glauben Sie also tatsächlich, dass ihr was zugestoßen ist?«
    »Möglicherweise stellt sich heraus, dass nichts gewesen ist. Aber ich werde unseren Spurendienst rüberbitten, damit sie sich mal umsehen. Gibt es eine andere Praxis, in der Sie so lange warten können, bis die Leute hier sind?«
    »Sicher, ich kann mich bis dahin zu Dr. Bisson rübersetzen, gleich nebenan.«
    Delorme nahm sie mit in den Flur und sah zu, wie sie abschloss.
    »Haben sich Ihres Wissens irgendwelche Patienten von Dr. Cates über sie geärgert?«
    »Oh, es gibt immer Patienten, die sich mal ärgern. Die meisten haben keine Ahnung, wie viele Spinner da draußen rumlaufen. Winter sagt, sie sind nur einsam, und sobald ihnen mal jemand Aufmerksamkeit schenkt, klammern sie sich daran und benehmen sich manchmal wie die letzten Trottel. Ich meine, sie nehmen zum Beispiel doppelt so viel von ihrem Medikament, wie sie sollen, und dann werden sie sauer, wenn der Arzt ihnen nicht alle fünf Tage ein neues Rezept ausstellt. Oder sie wollen sich krankschreiben lassen – ich meine, um die Arbeitsunfallversicherung hinters Licht zu führen. Also, ich hab mal erlebt, wie ein Typ wegen so was durchgeknallt ist. Er hat rumgeschrien und mit der Faust auf den Tisch geschlagen und sogar eine Pflanze umgestoßen. Ich dachte schon, wir müssten die Polizei rufen.«
    »Wie hieß der Mann?«
    »Glenn Freemont.« Melissa fasste sich mit der Hand an den Mund. »Oh, ich glaub, ich werde dafür Ärger bekommen, dass ich Ihnen das erzählt habe. Solche Sachen sind vertraulich.«
    »Wann war das?«
    »Vor ein paar Wochen. Ich

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