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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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an. Cardinal hätte den Schweißnähten nicht einmal zu Land getraut, geschweige denn im St.-Lorenz-Strom.
    Robert Sauvé selber war aus dem Haus und in der Einfahrt, bevor Cardinal auch nur hätte aussteigen können. Der ehemalige Korporal hielt eine zwölfkalibrige Schrotflinte in Bauchhöhe. Selbst auf diese Entfernung wirkte die linke Gesichtshälfte wie ausgehöhlt, genauso wie sein Haus. Ein Auge blinzelte Cardinal entgegen, und das andere – das Glasauge – blieb irritierend starr. Er trug keinen Bart, doch nach seinem Kinn zu urteilen lag die letzte Rasur eine Weile zurück. Er sagte nur ein Wort, und es klang eher wie eine Zurückweisung als ein Gruß. »Bonjour.«
    »Entschuldigen Sie«, sagte Cardinal auf Französisch. »Mitmeinem Französisch ist es nicht so weit her. Sprechen Sie Englisch?«
    Der ehemalige Korporal antwortete nicht. Cardinal wünschte sich, Delorme wäre bei ihm. Er versuchte es mit Englisch.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, das Ding da für einen Moment woandershin zu richten?«
    Das Gewehr blieb, wo es war.
    Cardinal versuchte es noch einmal auf Französisch. »Hören Sie, ich bin nicht gekommen, um Ärger zu machen. Ich bin ein Polizist aus Ontario, ich arbeite an einem …« Ihm fiel das Wort für »Fall« nicht ein, und so gab er sich mit »Geschäft« zufrieden. Ich arbeite an einem Geschäft in Ontario . Wenn das nicht Wunder wirkte!
    »Sind Sie von der RCMP?« Die Worte kamen mit einem starken Akzent, aber es war immerhin Englisch.
    »Algonquin Bay, örtliche Polizei«, sagte Cardinal und hielt die Hände deutlich vom Körper weg. »Wollen Sie meine Marke sehen? Dann muss ich in meine Gesäßtasche fassen.«
    »Ganz langsam.«
    Cardinal griff hinter sich und zog seine Dienstmarke aus der Tasche. Er hielt sie vor sich in der Hand, und Sauvé machte zwei Schritt nach vorn, um mit seinem gesunden Auge einen Blick darauf zu werfen.
    »Was will ein Cop aus Ontario von mir?« Die linke Hälfte von Sauvés Mund blieb versteinert. Seine Stimme klang wie selten benutzt, doch vielleicht war nur sein Englisch eingerostet.
    »Ich hab einen toten Amerikaner, einen Ex-CIA-Mann namens Miles Shackley, der vor dreißig Jahren in Quebec war. 1970, genau gesagt. Er war während der Oktoberkrise aktiv, und wir glauben, dass seine Ermordung etwas damit zu tun haben könnte. Wir wissen außerdem, dass er kürzlich mit Ihnen Kontakt aufgenommen hat.«
    »Und? Ein ehemaliger Mitarbeiter der CIA ruft einen ehemaligen Mitarbeiter der RCMP an, das ist nicht verboten.«
    »Ich wüsste gerne, was er wollte. Können wir für ein paar Minuten reingehen, Mr. Sauvé?« Cardinal rieb einen Moment lang die Hände aneinander. »Ich bin diese Quebecer Winter nicht gewöhnt, und es ist ziemlich nasskalt hier draußen.«
    »Es ist nicht kalt«, sagte Sauvé, ohne sich zu rühren.
    »Sie gehörten zum CAT-Team. Und Sie haben mit Shackley zusammengearbeitet.«
    »Ich hab mit einer Menge CIA-Leuten gearbeitet. An dem Tag, als Hawthorne entführt wurde, kamen sie aus allen Löchern gekrochen. Dreißig oder vierzig allein in der Kommandozentrale.«
    »Welche Aufgabe hatte Miles Shackley im CAT-Kommando?«
    »Weiß ich nicht mehr.«
    »Lassen Sie sich Zeit.«
    »Ich brauche keine Zeit.« Sauvé kehrte ihm den Rücken und humpelte zur Ruine seines Hauses zurück.
    »Mr. Sauvé, warten Sie. Ich brauche Ihre Hilfe.«
    Sauvé drehte sich nicht einmal um.
    »Wissen Sie nicht mehr, wie das ist? Bis zum Hals in einem Fall zu stecken und irgendwie nicht weiterzukommen? Ich suche nach einem einzigen kleinen Durchbruch, der alles verändert.«
    Jetzt drehte sich Sauvé noch einmal mühsam zu ihm um. »Ich hab mit jedem Ausschuss im Land geredet. Ich hab ihnen alles gesagt, was ich wusste. Und trotzdem hab ich zwölf Jahre im Knast gesessen. Ein ehemaliger Mountie. Was glauben Sie wohl, wie sie mich da behandelt haben? Meinen Sie, ich hätte auch nur die geringste Sympathie für den Arm des Gesetzes?«
    »Ich habe nichts mit den Leuten zu tun, die Sie hinter Gitter gebracht haben, ich versuche lediglich, einen Fall in einer kleinen Stadt in Ontario zu knacken.«
    Sauvé hievte sich die durchgetretenen Stufen zu seiner Eingangstürhoch. Als er sich vorbeugte, um die Tür zu öffnen, glänzten seine Zähne im Licht. Vielleicht lag es an seiner Entstellung, dass sich die Haut über seinem Kieferersatz straff zog, doch Cardinal hatte den Verdacht, dass der ehemalige Korporal Robert Sauvé lachte.

20
     
    B ernard Theroux«, hatte

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