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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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sagte Delorme. »Aus heutiger Sicht klingt es so verrückt.«
    »Meinen Sie?«, erwiderte Sergeant Ducharme. »Erst letztes Jahr hatten wir die French Self-Defence-League mit ihren Bomben vor Cafés und Restaurants, die Schilder auf Englisch hatten. Auch heute noch können sich die Gemüter ganz schön erhitzen.«
    »Und das andere Foto?« Cardinal zeigte auf ein Bild von Miles Shackley, das etwa von 1970 stammen musste. Musgravehatte es ihm und Ducharme geschickt. Als Cardinal ihn fragte, wie er darangekommen sei, hatte Musgrave nur geantwortet: »Ich bin Mountie, Cardinal, ich habe übernatürliche Kräfte.«
    »Miles Shackley war ein Amerikaner, der hier ungefähr zur Zeit der Oktoberkrise arbeitete. Wir haben im CAT-Team mit ein paar CIA-Leuten zusammengearbeitet. Sie brauchen gar nicht so zu gucken, das war ganz normal. Die schlugen sich damals mit den Black Panthers und den Weathermen rum, und der Terrorismus wurde zu einem internationalen Problem. Es wäre albern gewesen, sie nicht mit einzubeziehen.
    Ich persönlich mochte Shackley nicht besonders. Nicht, dass das von irgendwelchem Belang gewesen wäre – ich war ein ganz kleiner Fisch. Er arbeitete mit Lieutenant Fougère und Corporal Sauvé zusammen. Fougère ist leider vor ein paar Jahren gestorben, aber Sie werden zweifellos mit Sauvé reden. Das waren die Jungs an der Spitze, alle drei, und sie kamen gut miteinander aus. Sonst fällt mir zu Shackley nichts mehr ein, und die Akte ist natürlich bei denen, aber ich hoffe doch, dass ich sie in ein paar Tagen zurückhabe.«
    »Welche Funktion erfüllte Shackley im CAT-Team?«, fragte Cardinal.
    »Er war vermutlich Verbindungsoffizier. Vielleicht auch mehr, aber das entzieht sich meiner Kenntnis. Er hat uns wahrscheinlich geholfen, den Geldfluss und die Verbindungen zwischen den einzelnen Zellen zu verfolgen. Ach ja, ich glaube, er war auch einem bestimmten Black Panther auf den Fersen, der sich hier oben irgendwo versteckt hielt. Die FLQ bekam von den Panthern Waffen, und im Gegenzug haben sie sie versteckt.«
    »Und von Musgrave haben wir die Telefonnummern«, sagte Cardinal.
    »Ja, die Telefonnummern. Das wird sicher spannend.«
     
    Im Vergleich zu dem, was in Algonquin Bay los war, herrschte in Montreal und Umgebung ein ganz normaler Winter. Es lag schätzungsweise ein Meter Schnee, und an Ecken und Straßenkreuzungen war er so hoch aufgetürmt, dass Cardinal schon weit auf der Kreuzung war, bevor er sehen konnte, was von der anderen Straße kam.
    Aber auch hier wurde es wärmer. Die Äste hingen schwer herunter, die Eiskristalle tropften, und als Cardinal den Highway 20 Richtung Eastern Townships fuhr, wurde der leichte Schnee zu Nieselregen. In der feuchten Luft wirkten die Baumstämme tiefschwarz, so dass die Landschaft, als er die Stadtgrenze hinter sich hatte, zugleich winterlich wie neblig erschien – ein karges Schwarzweiß. Der Himmel war so dunkel, dass ein abendliches Dämmerlicht herrschte, obwohl Cardinal gerade vom Mittagessen kam.
    Er und Delorme hatten sich die Arbeit aufgeteilt: Delorme war ins Stadtzentrum gefahren, um mit einem früheren FLQMitglied zu sprechen, und Cardinal war auf dem Weg zu Robert Sauvé, seinerzeit der zweite Mann im CAT-Kommando. Sauvé gehörte die erste Telefonnummer, die Shackley von New York aus angerufen hatte, und er hatte sie mehrfach gewählt.
    »Folgendes müssen Sie über Sauvé wissen«, hatte Sergeant Ducharme ihm gesagt. »Ein paar Jahre nach der Oktoberkrise, genauer gesagt, am dreizehnten Juni 1973 um etwa halb vier Uhr morgens, wachten die Bewohner von Westmount von einem lauten Knall auf. Vor dem Haus eines gewissen Joseph P. Feldstein, des Gründers der Feldstein-Supermarktkette, war eine Bombe hochgegangen. In der ganzen Straße waren Fensterscheiben zu Bruch gegangen.
    Die Polizei kommt und findet ein Loch im Boden, das immer noch raucht, und eine Blutspur, die sie zu einem Wagen einen halben Block weiter führt. Hinterm Steuer sitzt zusammengesunken ein Mann mit zerfransten Händen, das halbe Gesicht weggerissen und mit heraushängendem Gedärm.
    Sie bringen ihn ins Krankenhaus, wo er operiert wird. Eine Zeit lang sieht es so aus, als würde er nicht durchkommen, aber – nennen Sie es meinetwegen ein Wunder der medizinischen Zunft von Montreal – der Kerl überlebt. Natürlich kriegt er jede Menge Draht in den Kiefer, ihm fehlen ein paar Finger, und sein linkes Auge ist weg, aber er lebt. Dummerweise redet er nicht. Sagt nicht mal seinen

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