Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
Vom Netzwerk:
mitzumachen. Ich hatte zwei Jahre an der University of Montreal studiert, aber das Studium an den Nagel gehängt, als ich heiratete. Nach der Trennung habe ich nur sehr langsam wieder Fuß gefasst. Hab einen Job bei einer Ölfirma angenommen, der langweiligste Job, den Sie sich vorstellen können, und habe ernsthaft angefangen, mich für Politik zu interessieren – es gibt nichts Besseres, um Leute kennen zu lernen.
    Damals war ich Separatistin. René Lévesque hatte die Parti Québécois gegründet, und ich glaubte leidenschaftlich daran. Quebec würde ein eigenständiger, souveräner Staat werden, aber mit dem übrigen Land durch eine Wirtschaftsunion verbunden bleiben, so wie jetzt die europäischen Staaten in der EU. Und die PQ würde dies mit demokratischen Mitteln erreichen: Sie würde als Erstes zur Regierungspartei der Provinz gewählt, dann würde sie in einem Referendum die Leute selber für oder gegen die Trennung abstimmen lassen und als Drittes die neue Nation gründen.
    Ich war einsam und suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, meine Leere zu füllen. Deshalb war ich gerne bereit, die ganze Lauferei zu übernehmen, Briefe zuzukleben, die Marken zu lecken, Flugblätter von Tür zu Tür zu verteilen. Es gab eine Menge andere junge Québécois, die mithalfen, und so hatte ich schnell eine Menge Freunde. Ich stand um sechs Uhr morgens auf, um mit unserem Kandidaten an der Metro zu sein, und dasselbe machte ich noch mal abends nach der Arbeit, und anschließend hielten wir noch endlose Planungstreffen ab.
    Aber jung, wie wir waren, dachten wir natürlich, es würde über Nacht passieren. Als unser Kandidat verlor und RenéLévesque auch, war ich ganz und gar erstaunt und deprimiert. Und ich kann Ihnen auch zumindest einen Grund dafür nennen, wieso wir verloren haben: die FLQ. Die Liberalen brauchten nicht lange, um die PQ mit den Bomben in Westmount in Verbindung zu bringen, und das hat die Leute abgeschreckt. Egal, wie oft Lévesque beteuerte, er befürworte keine Gewalt, die PQ stehe für Demokratie – die FLQ machte den Wählern Angst, und so verloren wir, haushoch.
    Das hatte unterschiedliche Wirkungen auf die Parteihelfer. Einer der jungen Männer, mit denen ich zusammenarbeitete, sagte, er wolle sich der FLQ anschließen. Er hat mich sogar gefragt, ob ich mitkäme, und ich war so deprimiert, dass ich sagte, vielleicht. Nicht dass ich mir Hoffnung machte, es würde irgendetwas dabei rauskommen. Um die Wahrheit zu sagen, ich habe es dann schlicht vergessen.
    Bon . Etwa ein halbes Jahr später steht er vor meiner Tür und fragt mich, ob ich bereit wäre, die Revolution zu unterstützen, das heißt die FLQ. Ich hab ihm gesagt, ich wolle nichts mit Gewalt zu tun haben. Er sagte, nein, nein – keine Gewalt. Was sie bräuchten, sei Geld. Er fragte mich, ob ich immer noch bei der Ölfirma arbeite. Aus irgendeinem Grund hatte ich ihm von einer meiner Aufgaben dort erzählt. Einmal im Monat verteilte die Firma an die verschiedenen Büros große Geldsummen für die Gehaltsabrechnung. Das war natürlich in den Tagen, als es noch keine elektronischen Überweisungen gab. Aber sie benutzten keinen Geldtransporter. Ich fuhr einfach zusammen mit meinem Chef herum und brachte diese großen, braunen Umschläge zu den Büros. Er blieb im Wagen sitzen, während ich damit reinging.
    Ich hab dem Jungen gesagt, dass ich auf keinen Fall die Firma bestehle, bei der ich arbeite. Und er sagte, nein, natürlich nicht, ich solle das Opfer sein. Sie würden mich und meinen Chef ausrauben, während wir unsere Runde fuhren. In zwei Wochen war wieder Zahltag, und dann würden sie es tun.Ich sagte, ich bräuchte ein bisschen Zeit, um es mir zu überlegen.
    Nun ja, als ich das sagte, sah er mich anders an. Das passte ihm kein bisschen ins Konzept. Und in seinen Augen konnte ich ablesen, was er dachte: Wenn sie nicht mitmacht, habe ich mich dem Miststück völlig ausgeliefert. Er würde mit den anderen FLQ-Mitglieder ziemlichen Ärger bekommen. Ich kann Ihnen sagen, dieser Blick machte mir Angst. Er gab mir drei Tage Bedenkzeit.
    Ich konnte nicht schlafen vor lauter Angst. Mir war klar, wenn ich nicht mitspielte, würde ich es vielleicht nicht überleben, und wenn ich mitmachte, hatte ich Angst, ins Gefängnis zu kommen. Zwei Tage später setzte ich mir also eine blonde Perücke auf und ging mitten in der Nacht zur Polizei, um ihnen zu erzählen, dass ich Informationen über die FLQ hätte. Und so bin ich Detective-Lieutenant

Weitere Kostenlose Bücher