Blutiges Gold
dunkelblauen Augen auf Shane. »Sammler sind nicht vorhersehbar. Sie legen die Summen hin, die die Objekte ihnen wert sind.«
Shanes Lächeln offenbarte nichts als seine weiß schimmernden Zähne.
Niall räusperte sich, als er den Kasten schloss, und brachte dafür den anderen Alukasten zu der Gruppe am Tisch. Er war nur halb so groß wie der andere. Niall entriegelte den Kasten und drehte ihn zu Risa hin.
Sie spürte die Bewegungslosigkeit von Shane. Kurz blickte sie ihn an und sah keine Veränderung in seinem Ausdruck.
Doch sie begriff, dass er sich bereits entschieden hatte, die Objekte zu kaufen, bevor er die Meinung seiner Fachfrau dazu gehört hatte.
K … !
So etwas hasste sie.
Zumindest waren das Stücke, auf die sie stolz sein würde, wenn sie der Sammlung des Golden Fleece angehörten. Vorausgesetzt natürlich, die Objekte waren keine Fälschungen oder zusammengestückelte Raubobjekte, die förmlich nach Blut und Diebstahl rochen.
Wenn die Herkunft zweifelhaft war, standen ihr und ihrem Chef einige hitzige Debatten bevor. Ihre Vorstellung von einer einwandfreien Provenienz war nach der Meinung von Shane zu streng. Viele Auktionshäuser hätten sich seiner Meinung angeschlossen.
Doch Risas Kindheit und Jugend waren so hart und ihre Herkunft so zweifelhaft, dass sie bei Kunstwerken höchste Reinheit verlangte. Shanes Herkunft war dagegen lupenrein, und das machte ihn toleranter.
Er war nie mit etwas erwischt worden, was nicht nach Recht und Gesetz ihm gehörte.
Risa schob die Erinnerung an ihre unglückliche Kindheit als Waise in Arkansas beiseite und konzentrierte sich auf das Objekt vor ihr. Es strahlte eine Unversehrtheit und Integrität aus, die stärker waren als seine mögliche Inbesitznahme durch kriminelle oder habgierige Menschen in der Vergangenheit.
»Nur Inaugenscheinnahme, oder darf ich das Objekt auch in die Hand nehmen?«
»Gleiche Bedingungen wie bei den anderen Stücken«, antwortete Dana.
Risa schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, dies hier ist ganz anders als die anderen Stücke. Es besitzt Ausstrahlung.«
Shane blickte sie von der Seite an.
Sie ignorierte ihn und konzentrierte sich auf den Halsring. Zu ihrer Erleichterung fühlte sie nur die Kälte und das Gewicht des Goldes und nichts von der beunruhigenden Kraft, die sie manchmal an einem Objekt spürte. Am schlimmsten war das in Wales gewesen, als sie zwischen aufragenden Kultsteinen gestanden hatte, obwohl nicht einmal solche Kunstobjekte in der Nähe gewesen waren. Sie dachte nicht gerne an diese Begebenheit und an die manchmal aufblitzende Erkenntnis, dass sie – anders war.
Sie atmete tief durch und zwang sich, ihre Aufmerksamkeit ganz auf das Hier und Heute zu lenken und weg von ihrer traurigen Kindheit und einem gespenstischen Eichenwäldchen in Wales.
Der Halsring war unterteilt in drei gleiche Bogen. Auf dem äußeren Rand eines jeden Bogens befand sich als Verzierung ein Speichenrad, das jeweils genau in der Mitte des Bogens saß. Und jedes Rad war noch einmal dreigeteilt durch drei gleich große goldene Kugeln.
»Klassische Dreiteiligkeit«, sagte Risa. »Die Kelten liebten die Dreifaltigkeit lange vor der christlichen Zeit.« Vorsichtig nahm sie den Halsring aus seiner Mulde. »Seinem Gewicht nach zu urteilen, ist er massiv. Ob es pures Gold ist oder Blattgold über Eisen, lässt sich nach Augenschein nicht sagen. Wenn es ein Goldüberzug ist, ist er sehr dick. Ich kann nichts anderes als Gold erkennen.«
Dana sprach leise in das Mikrofon, das an ihrem Kragen befestigt war. »Was sagt die Recherche?«
»Eisenkern«, kam es aus dem Deckengitter. »Geprüft durch Rarities .«
»Fantastisch«, hauchte Risa.
»Wäre es nicht wertvoller, wenn es reines Gold wäre?«, fragte Niall.
»Für ein Metall ist Gold sehr weich«, antwortete sie abwesend. »Man kann es sehr leicht formen, wie man es wünscht, aber es verliert auch genauso schnell wieder seine Form. Schlimmer noch, ein Halsring ganz aus Gold könnte wohl kaum einen überraschenden Schwertstreich von hinten abhalten – und das entsprach wahrscheinlich der ursprünglichen Aufgabe solcher Halsringe. Die Tatsache, dass der Ring aus einem vergoldeten Eisenkern besteht, macht die Deutung wahrscheinlicher, dass es sich hier um ein Standessymbol handelt, das tatsächlich von einer Frau oder einem dünnhalsigen Mann getragen wurde. Wunderschön. Einfach wunderschön.« Mit empfindsamen Fingerspitzen glitt sie über den ganzen Bogen. »Hm. Ja. Hier ist es.
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