Blutiges Schweigen
Nummer, nur um ihn zu ärgern.
Die Verbindung wurde aufgebaut.
Ich ließ es neunmal klingeln, dann rief ich die Auskunft an und besorgte mir die Festnetznummer. Ich wurde durchgestellt. Wieder klingelte es eine halbe Minute lang. Als ich gerade auflegen wollte, wurde abgenommen.
»Hallo?«
»Jill?«
»David?«
»Ist alles in Ordnung?«
»Ja, bestens. Warum?«
»Weil du mich gerade angerufen und nicht geantwortet hast.«
Ein Zögern. »Habe ich das?«
»Ich wollte mich nur vergewissern, dass es dir gut geht.«
»Ausgezeichnet.«
»Bist du sicher?«
»Ja, wirklich. Es ist nur …« Ihre Stimme erstarb.
»Was?«
»Ach, nichts. Ich habe mich nur wieder erschreckt, mehr nicht.«
»Warum?«
Eine Pause. »Ich weiß nicht. Dieses Haus. Das Alleinsein.«
»Was ist los?«
Sie antwortete nicht.
»Jill?«
»Es ist …« Sie hielt inne. »Es ist nur …«
»Was?«
»Ich bin sicher, dass ich gerade jemanden gesehen habe.«
»Was meinst du damit?«
»Es war der Mann von kürzlich. Der im roten Ford, der mein Haus beobachtet hat, als du in der Nacht hierhergekommen bist. Ich bin sicher, dass er immer wieder hier vorbeifährt.«
Ich warf Healy einen Blick zu. Er hatte den Kopf ein Stück in meine Richtung gewandt und rutschte näher heran, um mithören zu können. Allerdings sah er demonstrativ auf die Uhr, als wolle er mich daran erinnern, dass unsere Priorität etwa hundertfünfzig Meter entfernt in einem der Häuser saß.
»Kannst du Aron anrufen?«
»Nein, der ist doch in Paris.«
Mir fiel wieder ein, dass er mir heute erzählt hatte, er wolle dorthin fliegen.
»Okay, hör zu. Ich verständige einen Freund von mir und schicke ihn zu dir. Er heißt Ewan Tasker. Er soll dir Gesellschaft leisten, bis ich da sein kann.«
»Oh, vielen Dank, David.«
»Schon gut. Halte die Ohren steif.«
Ich beendete das Gespräch und ersparte es mir, Healy anzuschauen,
der wieder auf die Uhr sah. Dann wählte ich Taskers Nummer. Er nahm beim dritten Klingeln ab. Nachdem ich ihm die Lage erklärt hatte, war er sofort einverstanden, zu Jill zu fahren. Ich bedankte mich und gab ihm für alle Fälle ihre Nummer. Dann legte ich auf und stieg aus. Healy warf mir einen Blick zu.
»Also«, sagte ich, »worauf warten Sie noch?«
58
Die Häuser der Siedlung, in der Sona untergebracht war, waren zu Vierecken angeordnet. Die Eingangstüren führten auf einen Hof hinaus. Jedes Haus hatte zwei Stockwerke und beherbergte zwei separate Wohnungen. Eine Treppe führte in die obere Etage. Alles sah genau identisch aus: weiße Fensterbretter, blaue Türen, graues Schieferdach.
Wir traten durch einen Torbogen in den Hof. Er war groß und üppig bepflanzt. In der Mitte ragte eine riesige Eiche in den Nachthimmel. Straßenlaternen waren im rechten Winkel entlang der Häuser angeordnet und verbreiteten ein mattes cremefarbenes Licht. Jede Gebäudegruppe bestand aus zehn Einheiten und hatte einen eigenen Namen. Die Wohnungen Nummer 1–20 hießen Randall; 21–40: Chance; 41–60: Wren. Vor dem Haus mit den Wohnungen 26 und 27 blieb Healy stehen.
»Ist es das?«
»Ja«, erwiderte Healy und stieg die Treppe hinauf in die obere Etage. Nachdem er nach links und nach rechts geschaut hatte, klopfte er viermal an. Er hielt inne und klopfte noch einmal. »Machen Sie es einfach wie ich«, flüsterte er. »Und lassen Sie sich Ihre Überraschung nicht anmerken.«
Ich sah ihn zweifelnd an.
Von innen wurde an die Tür geklopft.
Healy beugte sich weiter vor, als hätte er damit gerechnet.
»Charlie, Hotel, Alpha, November, Charlie, Echo. Fallnummer 827-499.«
Es erfolgte keine Antwort. Healy sah auf die Uhr und dann mich an und nickte, als ob alles genau nach Plan liefe.
» Winter.«
Eine Frauenstimme. So leise, dass ich im ersten Moment fast glaubte, sie käme aus dem Nachbarhaus. Healy beugte sich wieder vor. »Wintergrün«, erwiderte er.
»Frühling«, entgegnete die Stimme.
»Frühlingsfrisch«, antwortete Healy.
Dann wurde alles still. Während wir warteten, stellte ich fest, dass ich durch die Tür einen Fernseher hörte. Gedämpft zwar, aber dennoch wahrzunehmen. Zwei Menschen, die stritten. Healy blickte mich an und dann wieder zur Tür. Der Code bestätigte, dass er zum Sondereinsatzkommando gehörte. Seine Antworten waren nur den direkt an den Ermittlungen beteiligten Personen bekannt: den vertrauenswürdigen Mitgliedern des Sondereinsatzkommandos, von dem Healy gesprochen hatte.
»Was wollen Sie?«
Ihre Stimme. Inzwischen
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