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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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angewiesen war als umgekehrt, war sie still und verschlossen. Der Entführer hatte sie in ihr Schneckenhaus getrieben. Es konnte Wochen dauern, sie da wieder herauszulocken. Und uns blieben nur Stunden.
    »Also«  – er griff wieder den roten Faden auf  –, »um ihn zu erwischen und ihm das Handwerk zu legen, würde ich gerne über einige der Dinge sprechen, die Ihnen zugestoßen sind.«
    Er erntete die Reaktion, mit der ich gerechnet hatte: nichts.
Sie schaute hinüber zu dem Laptop, wo noch das Foto von Liz und mir zu sehen war.
    Healy beugte sich vor und setzte eine möglichst sanftmütige Miene auf. »Sona?«
    »Ich kann mich nicht erinnern«, erwiderte sie.
    Er sah mich an. »Gut.« Er richtete sich auf und versuchte eine andere Taktik. »Vielleicht können wir ja mit dem Mann anfangen, der Sie weggelockt hat. Daniel Markham. Ich glaube, Sie haben ihn Mark genannt.«
    Sie zuckte zwar leicht zusammen, antwortete aber nicht.
    »Könnten Sie uns ein bisschen von ihm erzählen?«
    Schweigen.
    »Sona?«
    »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte sie.
    Healy beugte sich noch ein wenig vor. So würden wir nicht weiterkommen. Wir mussten den Riss in ihrer Fassade finden und ihn langsam öffnen, bis alles aus ihr heraussprudelte. Sie mit verschiedenen Fragen zu bombardieren oder dieselbe immer wieder in andere Worte zu kleiden, würde hier nichts bewirken.
    »Wissen Sie noch irgendetwas von dem Tag, an dem Sie entführt wurden?«, erkundigte er sich.
    Sie starrte ins Leere.
    »Eine Einzelheit, so banal sie auch sein mag?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Selbst wenn Sie sie für unwichtig halten?«
    Wieder herrschte lange Schweigen. Healy hielt inne und rutschte auf dem Sofa herum. Ich merkte ihm die Ungeduld an, die ihren Grund jedoch wirklich nur in dem Zeitdruck hatte. Er hatte Tausende von Vernehmungen hinter sich und wusste, wie man sich Zeit ließ oder dem Zeugen auf die Pelle rückte. Nur, dass er normalerweise nicht den Minutenzeiger im Auge behalten musste. Außerdem bestand hier die Gefahr,
dass er umso weniger von ihr erfahren würde, je mehr er sie bedrängte, was seine Ungeduld allerdings nur noch erhöhte. Er rutschte weiter an die Sofakante.
    »Sona, wir müssen diesen Kerl aufhalten.«
    Sie senkte den Kopf. Wir betrachteten sie eine Weile, doch als sie keine Anstalten machte, uns zu antworten, warf Healy mir einen Blick zu. Ich schüttelte den Kopf . Sagen Sie jetzt nichts mehr. Sein Augenausdruck verriet mir, dass ich seiner Ansicht nach gerade die Grenze überschritt, die er in seinem Kopf für mich gezogen hatte. Doch er war zu sehr in die Ereignisse verstrickt und zu abhängig von ihren Informationen, um zu verstehen, warum sie sich zurückzog. In einer anderen Situation und einem anderen Fall hätte er es vielleicht erkannt. Aber nicht jetzt.
    »Sie brauchen sich nicht allein zu fühlen«, begann ich.
    Sie sah mich an. Ich wandte den Blick nicht ab. Sie auch nicht. Hier also war der Riss in ihrer Fassade.
    »Es wird nicht immer so bleiben«, fuhr ich fort. »Sie fühlen sich verraten, das kann ich nachvollziehen. Sie fühlen sich im Stich gelassen, und zwar nicht nur von Daniel Markham, sondern auch von der Polizei. Man hat Sie hier geparkt und Sie dann vergessen, und alles, was man von Ihnen will, sind nur immer neue Antworten.«
    Ihre Augen huschten zwischen Healy und mir hin und her. Sie beugte sich vor und verschränkte die Arme, dass es beinahe so aussah, als schlänge sie sie um den Leib.
    »Außerdem können Sie nachts nicht schlafen, weil Sie Angst vor seiner Rache haben. Denn davor hat die Polizei Sie gewarnt.«
    Nun rutschte ich auf der Sofakante näher an sie heran, bis nur noch wenige Zentimeter unsere Knie trennten.
    »Aber ich will Ihnen etwas sagen, Sona: Er weiß nicht, wo Sie sind. Er kriegt Sie nicht. Und Sie sind auf gar keinen Fall allein.«

    Ich wich wieder zurück. Sie sah erst Healy und dann mich an, sprach aber kein Wort. Ich warf Healy einen Blick zu, damit er bloß nicht mit einer Bemerkung alles vermasselte.
    »Was macht Sie so sicher, dass er mich nicht kriegt?«
    Nach dem langen Schweigen war ihre Stimme kaum zu hören. Healy beugte sich wieder vor. »Verzeihung, ich habe Sie nicht verstanden.«
    Doch sie hatte sich mir zugewandt.
    »Er weiß nicht, wo Sie sind«, wiederholte ich. »Und er wird es auch nicht herausfinden.«
    Sie zögerte einen Moment, als sei die Vorstellung, die Vergangenheit Revue passieren zu lassen, zu schmerzlich. Ihre Finger flochten sich

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