Blutiges Schweigen
verpasst.
»Waren das ihre Herzen, die ich gefunden habe?«
Er legte beide Hände vor mich auf den Tisch.
»Megan sieht genauso aus wie deine Frau, oder?«, fragte ich ihn. »Ein oder zwei kleine Anpassungen, und du hättest sie wieder. Ein wenig jünger vielleicht, aber damit könntest du leben. Deshalb hast du dir die Mühe mit der LCT-Webseite gemacht und Markham verboten, mit ihr zu telefonieren oder ihr Mails zu schicken. Denn du wolltest kein Risiko eingehen. Letztlich kam es dir nur auf Megan an.«
Er sagte kein Wort, sondern atmete nur ein und aus.
»Die anderen waren für dich wie die Leichen, an denen du während des Medizinstudiums geübt hast. Schaufensterpuppen. Mehr nicht. Deine Forschungsobjekte. Dein kleines Projekt. Du hast ihnen Gesichter und Nasen operiert, damit dir kein Fehler unterläuft, wenn du es bei der Frau tust, die wirklich zählt. Und dann hast du sie endlich gefunden: Megan. Dass Markham sie geschwängert hat, haben die beiden als großes Pech empfunden – aber für dich war es wahrscheinlich eine Art Zeichen. Denn in sieben Wochen wäre das Projekt vorbei gewesen. Du hättest dir Megan nach deinen Vorstellungen zurechtgeschnitzt und nicht nur deine Frau zurückgehabt, sondern auch dein ungeborenes Kind.«
Inzwischen war seine Miene völlig ausdruckslos. Er hatte es geschafft, jegliches Gefühl wegzuwischen.
»Die Sache hat nur einen Haken, Aron: Dein ganzes Projekt ist das Werk eines Wahnsinnigen. Du bist ein Psychopath. Sicher gibt es irgendwo einen Seelenklempner, der es faszinierend finden wird, dass du töten kannst, ohne Reue zu empfinden, und dennoch in der Lage bist, positive Gefühle für jemanden zu entwickeln. Doch ich sehe dich in Schwarz-Weiß. Da ist kein Geheimnis. Du bist nichts weiter als ein widerliches Stück Scheiße.«
Schweigen.
Lange sah ich ihm in die Augen. Dann wandte er sich ab. Seine linke Hand, die an den Tisch gekettet war, legte sich um den Metallring. Die Handschellen klapperten auf der Tischplatte. Er schien geistig abzuschweifen. Doch im nächsten Moment bewegte er sich auf seinem Stuhl, und die Handschellen klirrten erneut. Schließlich ließ er den Ring los, sah mich an und zuckte die Schultern.
Aber er sprach kein Wort.
Ich stand auf. Sein Blick folgte mir zwar, doch sein Körper verharrte völlig reglos. Ich durchquerte den Raum und drückte auf die Gegensprechanlage. Die Tür öffnete sich nach innen. Auf dem Flur wartete ein uniformierter Polizist, um mich nach nebenan ins Beobachtungszimmer zu bringen. Als ich mich umschaute, spähte Aron unter seinen Augenbrauen hervor. Ein Lächeln spielte um seine Lippen, diesmal ein echtes. Seine Augen weiteten sich, als wollten sie alles Licht im Raum aufsaugen.
»Es ist vorbei«, sagte ich zu ihm.
Eine schmale Zunge fuhr über die Lippen.
»Wirklich?«, entgegnete er leise.
Im Namen des Gesetzes
Die Arrestzelle war eng und kalt. Die weißen Wände sahen zwar aus, als seien sie vor Kurzem weiß gestrichen worden, doch die Decke war cremefarben und blätterte in der Mitte und in den Ecken ab. Die Pritsche war an der Wand festgeschraubt, die Toilette aus Edelstahl am Boden.
Aron Crane saß auf der Bettkante. Seine Kleider waren in Tüten verpackt und weggebracht worden. Nun trug er einen dunkelblauen Pullover, eine schwarze Hose und schwarze Mokassins mit Gummisohle. An der Zellentür war ein uniformierter Polizist postiert. Wenn sich der Spion an der Tür öffnete, konnte Crane einen Teil seines Kopfes und sein weißes Baumwollhemd erkennen. Hin und wieder spähten andere Polizisten herein, manche in Uniform, andere in Zivil.
Alle wollten Dr. Glas sehen.
Er hatte etwa eine Stunde gewartet, als die Tür sich mit einem Klappern öffnete. Zwei Polizisten, einer davon mit einem Paar Handschellen in der Hand, standen auf der Schwelle. Sie traten ein und wiesen ihn an, aufzustehen. Dann wurden ihm die Handschellen umgelegt, und die beiden führten ihn hinaus. Sie brachten ihn zurück in den Raum, wo er vorhin mit Raker gesprochen hatte.
Raker.
Crane hatte ihn unterschätzt. Er hatte geglaubt, ihn benutzen zu können, indem er sich seiner Schwachstellen bediente. Seiner wunden Punkte. Doch Raker war aufmerksam und
gerissen. Er hatte Cranes Frau als Köder eingesetzt und versucht, in sein Denken einzudringen und eine Reaktion von ihm zu erzwingen. Aber das war in Ordnung so. Auch wenn Raker ihm Sand ins Getriebe gestreut hatte, bevor das Projekt abgeschlossen war, hatte Crane noch einiges
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