Blutiges Schweigen
Finger in entgegengesetzter
Richtung über den Tisch gleiten. »Das weiß ich nicht, David«, erwiderte er und blickte mich an. »Und du?«
Der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht. Während der ganzen Zeit hatte der Kaffeebecher dampfend neben mir auf dem Tisch gestanden. Ich nahm ihn und trank ein paar Schlucke. Dann stellte ich ihn ab, beugte mich vor und stützte die Handflächen auf die Tischplatte.
»Ist Aron Crane eigentlich dein richtiger Name?«
Schulterzuckend lehnte er sich zurück. »Namen und Zahlen sind unwichtig, David. Sie spielen keine Rolle. Ein Name ist nichts als eine Buchstabenkombination. Man kann sich nennen, wie es einem gefällt, denn es ändert nichts an dem, was man ist und tut. Ein Name ist nur ein Vehikel, das einen von A nach B transportiert. Eine kleine Bühne sozusagen.«
»Also war Aron Crane nur eine Bühne?«
Er nickte und starrte mich an. Offenbar wollte er, dass ich den Blick abwandte. Doch da hatte er sich verrechnet. Er würde nicht gewinnen. Niemals.
»Warum hast du Markham in die Sache hineingezogen?«
Er seufzte auf. »Das kannst du dir doch wohl denken.«
»Der Grund war das Fiasko in dem Lagerhaus in Bow.«
»Richtig!« Er beugte sich vor und schlug mit der Hand auf den Tisch. Sein Gesicht wurde ernst. Er betrachtete mich. »Die Polizei hatte bei den Russen verdeckte Ermittler eingeschleust, und in Draytons Firma gab es auch immer mehr … undichte Stellen. Früher oder später wären sie mir auf die Schliche gekommen. Frank White ist mir in die Quere gekommen. Ebenso wie der andere Kerl. Also habe ich die beiden umgelegt und mich aus dem Staub gemacht.«
»Einfach so.«
»Alles wird einfach, wenn man es nur oft genug tut.«
Wieder weiteten sich seine Augen. Als er sich wieder zurücklehnte, spannte sich die Kette der Handschellen.
»Wie bist du ausgerechnet auf Markham gekommen?«
»Er ist mir aufgefallen, als ich angefangen habe, Megan zu beschatten. Ich beobachtete sie schon seit einer Weile. Sie war …« Er beugte sich erneut vor und senkte die Stimme. »Sie war irgendwie mein Typ, du weißt ja, was ich meine.« Er zwinkerte. »Nachdem White den Löffel abgegeben hatte, musste ich mich bedeckt halten, und Markham schien mir genau der Richtige zu sein. Er war mit Megan befreundet, sie vertraute ihm, und außerdem hatte seine Frau eine Schraube locker, was hieß, dass es bei ihm einen wunden Punkt gab.« Seine Augen verengten sich, und seine Miene wurde ernst. »Menschen, die man liebt, machen einen angreifbar.«
Kurz blitzte etwas in seinen Augen auf und war sofort wieder verschwunden.
»Nach Frank Whites Tod wurde in den Medien viel über ihn berichtet. Wenn man einen Bullen umnietet, könnte man genauso gut eine Atombombe abwerfen, richtig? Seine Kollegen, Angehörigen und Freunde wurden interviewt – und dann irgendwann auch Jill. Die tränenüberströmte Witwe. Sie hat mir optisch auf Anhieb gefallen. Passte genau ins Bild. Also habe ich mir angewöhnt, mir morgens meinen Kaffee in derselben Kaffeebar zu holen wie sie. Nachdem ich ihr eine Woche lang Blicke zugeworfen hatte, hat sie mich irgendwann gegrüßt. Und zwei Wochen später haben wir miteinander geredet. Noch einen Monat, und ich hatte sie in der Hand. Wenn ich will, kann ich nämlich recht charmant sein.«
»Warum hast du nicht Markham damit beauftragt, sie dir zu bringen?«
»Es hat mir in den Fingern gejuckt, als ich zuschauen musste, wie er sich amüsiert hat. Außerdem konnte er mit meinem … Appetit … nicht mithalten. Offen gestanden war er ein verdammtes Weichei. Ich musste ihn behandeln wie ein Kind, damit er sich an die Regeln hielt. Als ich ihn abgestochen
habe, habe ich uns allen einen Gefallen getan, das kannst du mir glauben.«
Er hielt inne und räusperte sich demonstrativ.
»Ich habe dich vor etwa anderthalb Wochen ins Haus der Carvers gehen sehen. Sagen wir mal, dass ich alles, was im Zusammenhang mit Megan stand, gut im Auge behalten habe, damit ich nicht in die Schusslinie gerate. Solange sich die Ermittlungen dahinschleppten, war alles in Ordnung.« Er wies mit dem Kopf auf den Spiegel und senkte die Stimme. Allerdings sprach er noch laut genug, dass man ihn im Nebenzimmer verstehen konnte. »Sie hatten keinen Schimmer, wer ich bin, David. Keinen Schimmer.«
Deshalb ist er zur Selbsthilfegruppe gekommen. Um sich an mich heranzumachen.
»Also hast du mich beobachtet?«
»Im Großen und Ganzen, ja. Als Jill Vertrauen zu mir fasste, schlug ich
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