Blutiges Schweigen
ihr die Selbsthilfegruppe vor, um dich persönlich kennenzulernen. Dann jedoch wurde mir klar, dass ich mehr über dich und deine Fähigkeiten erfahren musste. Deshalb habe ich sie überredet, an dein Gewissen zu appellieren und dich zu bitten, Franks Tod unter die Lupe zu nehmen.«
»Warum bist du dieses Risiko eingegangen?«
»Es war kein Risiko. Sie hat mir brav jedes Wort von dir weitererzählt. Das war viel besser, als im Trüben zu fischen und zu versuchen zu ergründen, was du wusstest und was nicht. Der eine Abend in der Selbsthilfegruppe reichte, um mir ein Bild von dir zu machen. Was wahrscheinlich das Beste war. Wir wollen doch mal ehrlich sein. Diese Gruppe ist eine Veranstaltung für Verlierer.« Wieder zwinkerte er und grinste. »Nimm’s mir nicht übel, David. Sicher hat die Gemeinschaft dir dabei geholfen zu verarbeiten, dass du mit ansehen musstest, wie deine Frau Haare und Würde verloren hat.«
Eine Flamme loderte in mir auf und schoss mir durch Kehle
und Muskeln. Am liebsten hätte ich ihm die Fresse poliert. Ich wollte seine Knochen splittern hören. Doch stattdessen ließ ich den Schauder durch Hände und Fingerspitzen abfließen und starrte in sein ausdrucksloses Gesicht. Inzwischen lächelte er nicht mehr. In seinem Blick war nur noch Leere.
»Wo ist Jill?«
Keine Antwort. Eine unbewegte Miene. Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, sodass er mich nicht mehr hören konnte.
»Du hast hier nicht mehr das Sagen. Wo ist Jill?«
»Ich bin bei dir zu Hause eingebrochen, David«, entgegnete er, als hätte ich kein Wort gesagt. Sein Tonfall war absolut emotionslos. »Dort habe ich einige Fotos von ihr gesehen. Deiner Frau. Derryn war eine sehr attraktive Frau. Du weißt schon, vorher . Blondes Haar. Gute Figur. Weder knochig noch knabenhaft. Wir beide haben denselben Geschmack.«
»Wir haben überhaupt nichts gemeinsam.«
»Wirklich?«
»Du bist ein mieses Schwein. Und wenn ich nicht riskieren würde, hinter Gittern zu landen, anstatt als freier Mann hier rauszuspazieren, würde ich dich fertigmachen.«
Seine Augen weiteten sich. » Oooh , David, dieser Heldenmut.«
Diesmal antwortete ich nicht. Ich wollte mich nicht von ihm provozieren lassen.
»Wie dem auch sei«, fuhr Crane fort und pflückte ein imaginäres Haar vom Ärmel seines Overalls. »So läuft es nun mal im Leben. Du spielst den trauernden Witwer sehr gut. Die Rolle steht dir. Frauen lieben das. Ich wette, deine Anwältin kriegt ein feuchtes Höschen, wenn du den starken, sensiblen Mann mimst.« Er holte tief Luft und starrte auf die Tischplatte. Dann hob er mit einem breiten Lächeln den Kopf. »Wie fühlt es sich an, sie zu ficken, nachdem du es jahrelang mit
derselben Frau getrieben hast? Ist sie anders?« Er leckte sich demonstrativ die Lippen. »Ist sie enger ?«
»Darf ich dich mal was fragen?«, entgegnete ich und beugte mich bedrohlich vor.
Ein Zucken in seinen Augen. Er hatte nicht die gewünschte Reaktion erzielt. Dennoch lächelte er weiter, um mir mitzuteilen, dass es immer noch er war, der die Regeln bestimmte. Ich betrachtete ihn. Ich glaube, ich weiß jetzt, warum du Megan am Leben gelassen hast. Und auch, wem die Herzen gehören.
»Wo ist deine Frau begraben?«
Er lehnte sich zurück.
»Denn ich habe folgende Theorie, Aron, oder Dr. Glas oder wie, zum Teufel, du sonst heißen magst. Das hier ist dein Versuch, Erlösung zu finden. Du willst sie zurückholen. Ich glaube, du hast den einzigen Menschen, den du wirklich geliebt hast, getötet.«
Er bemühte sich um einen nichtssagenden Gesichtsausdruck, doch es gelang ihm nicht ganz: Eine Flamme brannte weiter. Ich hatte einen wunden Punkt getroffen.
»Vielleicht hast du sie ja umgebracht, um deinen ›Appetit‹ zu befriedigen. Oder es war ein Unfall. Jedenfalls wünschst du dir jetzt, es wäre nie geschehen. Und all die Frauen – ihr Aussehen und deine chirurgischen Experimente – sind nichts als ein Ersatz für sie.« Ich beugte mich noch ein Stück vor. »Die Sache ist nur, dass es egal ist, wie viele Frauen du tötest, wie oft du sie operierst und wie sehr du versuchst, sie ihr anzugleichen. Die Frau, die du wirklich geliebt hast, kommt nicht mehr zurück. Das ist ein Rat von jemandem, der Bescheid weiß.«
Sein Lächeln war auf einmal wie weggeblasen. Ich hatte richtig geraten und den Nagel auf den Kopf getroffen.
»War deine Frau bei ihrem Tod schwanger?«
Er zuckte zusammen, als hätte ich ihm eins mit dem Taser
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