Blutiges Schweigen
die geschlossenen Hecktüren des Polizeitransporters.
Aron Crane saß darin.
Hart blickte auf, als ich näher kam. Phillips ebenfalls. Die beiden nickten. Eigentlich hätten sie liebend gerne auf mich
verzichtet, und ich riss mich auch nicht darum, hier zu sein. Doch als sie versucht hatten, Crane dazu zu bringen, ihnen Jills Aufenthaltsort zu zeigen, hatte dieser darauf bestanden, dass ich mit von der Partie sein musste. Die Mienen der beiden verkündeten es so wie ein Werbeplakat: Sie vermuteten, dass ich in die Sache verwickelt war. Für mich stand fest, dass hier etwas im Argen lag, denn ich spürte eine bedrohliche und düstere Atmosphäre. Eine schleichende Angst kroch durch meinen Körper, und Eiseskälte glitt mir die Wirbelsäule hinauf.
Monatelang hatte Crane Jill beschattet und währenddessen Markham gezwungen, Megan und Sona zu verführen. Wahrscheinlich gefiel ihm der Gedanke, der Frau eines Mannes nachzustellen, den er getötet hatte. Es streichelte sein Ego. Sein Machtgefühl. Seinen Kontrollzwang. Und auch jetzt gab es trotz aller Polizisten, Autos und zur Schau gestellten Staatsgewalt nur einen Mann, der die Fäden zog: Aron Crane.
Phillips teilte mir mit, er werde sich gleich um mich kümmern. Dann kehrten er und Hart mir den Rücken zu, damit ich ihrem Gespräch nicht folgen konnte. Das kümmerte mich nicht. Ich brauchte ihre Strategie nicht zu kennen, um zu wissen, dass hier alles, aber auch alles, faul zu sein schien.
Bald waren die beiden von Polizisten umringt. Einige hatten Hunde an der Leine. Andere waren mit Taschenlampen ausgerüstet. Die beiden Scharfschützen begaben sich zum Heck des Transporters und sahen sich aufmerksam um. Der eine spielte am Schieber seiner Glock herum, nahm die Waffe aus dem Halfter, überprüfte sie und steckte sie wieder weg. Jeden Moment würden die Türen aufgehen. Und dann würde Crane dasitzen und herausschauen – und das Chaos, das er angerichtet hatte, genießen.
Endlich hatten Phillips und Hart ihre Beratung beendet. Hart schlenderte davon. Phillips schien hier das Kommando
zu führen. Hart hatte die übliche Laufbahn hinter sich. Er war ausgeglichen, zuverlässig und klug, aber kein Naturtalent, sondern aufgrund ordentlicher Ermittlungsergebnisse befördert worden. Und auch, weil er sich nie verplappert hatte. Bei Phillips war das anders. Er beherrschte das Spiel, war jedoch auch ein fähiger Polizist. Die anderen erwarteten, dass er die Befehle gab.
Er kam auf mich zu.
»Crane wird die ganze Zeit über Handschellen tragen«, verkündete er anstelle einer Begrüßung. »Zwei uniformierte Kollegen gehen mit Taschenlampen voran, zwei weitere links und rechts von ihm. Die Scharfschützen werden ihn ebenfalls von beiden Seiten bewachen – auch mit Taschenlampen.«
Er hielt inne, als eine Polizistin auf ihn zutrat und ihn fragte, ob die Journalisten noch weiter zurückgedrängt werden sollten. Er antwortete mit Ja und wandte sich wieder an mich.
»Waren Sie schon drin?«, erkundigte ich mich.
»Ja.«
»Etwas gefunden?«
»Nein. Crane sagt, bis zu der Vermissten sind es etwa zwanzig Minuten Fußmarsch, doch er verrät uns nicht, in welche Richtung.« Er hielt inne. Offenbar stand es mir ins Gesicht geschrieben. »Wir haben eine Risikoanalyse durchgeführt und glauben, dass wir alle Möglichkeiten abgedeckt haben.«
»Es wird stockfinster sein.«
»Wenn wir bis morgen warten, lebt Jill vielleicht nicht mehr.« Er hatte recht, was mich allerdings nicht beruhigte. »Eine Sanitäterin und zwei Hundeführer werden uns ebenfalls begleiten. Einer marschiert voraus, der andere bildet die Nachhut. Und dann sind da noch DCI Hart, ich und Sie.«
»Nehmen Sie auch Kriminaltechniker mit?«
»Nein, die stehen auf Abruf bereit. Wir wollen zuerst sehen,
wohin er uns führt. Dann rufe ich Davidson an.« Als ich mich umschaute, bemerkte ich auf der anderen Seite des Polizeitransporters Davidson, der mit einem uniformierten Kollegen sprach. »Wir sind bereits zu viele Leute.«
Neben uns klappte ein Scharfschütze die Kammer seiner Glock auf.
»Die sind nur als Rückendeckung hier«, erklärte Phillips. »Bei einem Mann, der sechs Frauen auf dem Gewissen hat, kann man nicht vorsichtig genug sein.«
Sechs, von denen wir wissen , dachte ich und schaute dann zu der Gasse hinüber, die in den Wald führte. »Was ist mit seinem Anwalt?«
»Er hat ihn angerufen, aber er ist nicht erschienen.«
»Warum das?«
»Das hat Crane uns nicht verraten.«
Ich
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