Blutiges Schweigen
dass zwei Frauen sich in Luft auflösen, können Sie jede Wette darauf eingehen, dass er es immer wieder tut, bis jemand ihn aufhält.«
Phillips schüttelte den Kopf und nestelte wieder an seinem Ehering. »Wir sind hier nicht bei CSI, David. Die Sache geht nicht aus wie in Hollywood.«
Parallele Ermittlungen .
Wieder schaute ich zwischen den beiden hin und her. Ich hatte ihnen von dem Jugendclub erzählt. Ich hatte ihnen alles berichtet, was ich über Leanne wusste. Nun war es Zeit, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen.
»Und wie passt Frank White ins Bild?«
Davidson warf mir einen raschen Blick zu und wandte dann die Augen ab. Kurze Überraschung, gefolgt von leichtem Erschrecken. Phillip hörte einen Moment auf, an seinem Ehering herumzudrehen. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, erwiderte er ruhig.
»Sie erinnern sich doch an ihn, oder?«
Phillips nickte. »Natürlich.«
»Es gibt einen Zusammenhang.«
»Zwischen was?«
»Frank White und Megan.«
»Wenn man Sie so reden hört, wimmelt es nur so von Zusammenhängen.«
»In der Nacht, in der er ermordet wurde, ist im Lagerhaus etwas vorgefallen. Wenn Sie tief genug graben, werden Sie eine Verbindung zu Megan finden.«
Die beiden starrten mich an. Ich war nicht sicher, ob es Überraschung oder Panik war, die sich da auf ihren Gesichtern zeigte. Doch ich kam zu dem Schluss, dass es Panik sein musste. Ich war auf etwas gestoßen.
»Sein Tod hat etwas mit Megan zu tun, richtig?«
Phillip begann, die Fotos einzusammeln und sie in der Aktenmappe zu verstauen. Er sah mich an. »Wir stellen hier die Fragen, David.«
»Gibt es eine Verbindung zum Chirurgen?«
Eine kurze Pause. Dann beugte Phillips sich vor und sprach die Uhrzeit und die Tatsache, dass er jetzt eine Pause machen würde, ins Mikrofon. Die beiden standen auf und verließen den Raum.
39
Als sie schon an der Tür waren, bat ich, auf die Toilette gehen zu dürfen. Phillips forderte Davidson auf, mir den Weg zu zeigen, und verschwand durch eine Sicherheitstür, die die Vernehmungszimmer mit dem Großraumbüro verband. Wortlos führte Davidson mich an den anderen Türen vorbei zu einer L-förmigen Biegung im Flur. Gleich um die Ecke befanden
sich zwei Türen: eine für Männer und eine für Frauen. »Ich warte hier«, sagte er.
Drinnen war es kalt und steril. Alte Fenster mit Metallrahmen und Maschendraht über den Scheiben. Am Boden festgeschraubte Porzellanbecken. Keine Seife. Kein heißes Wasser. Graugrüne Kabinen ohne Klobrillen. Also nichts, was man abreißen und als Waffe verwenden konnte. Der Gestank nach Klosteinen war übermächtig. Als ich in eine der Kabinen trat, stellte ich fest, dass ich meinen Atem vor den Augen sehen konnte. Die Temperatur betrug höchstens fünf Grad.
Nach etwa einer halben Minute hörte ich, dass Davidson ein Gespräch mit jemandem angefangen hatte. Wegen des Verkehrslärms von draußen und des steten Gurgelns des Spülkastens konnte ich nur hier und da ein Wort verstehen. Aber es klang danach, als würde Davidson einen Uniformträger mit dem Wachestehen beauftragen.
Ich betätigte die Toilettenspülung und ging zu den Waschbecken. Während ich mir die Hände wusch, hörte ich noch eine Stimme. Männlich. Leise. Kaum mehr als ein Flüstern.
Sie schickte den Constable weg, um etwas zu erledigen.
Einige Sekunden später beobachtete ich im Spiegel über dem Waschbecken, wie sich die Tür öffnete. Die Scharniere quietschten. Ein Fuß erschien. Dann ein Gesicht.
Colm Healy.
Er sah mich an. Unsere Blicke trafen sich im Spiegel. Dann schaute er hinter sich in den Flur, fuhr sich mit der Hand durch das rote Haar und rieb sich mit dem Finger das Auge. Er hatte die abgekauten Nägel eines Mannes, der die ganze Nacht wach dasaß, weil er nicht schlafen konnte – und die gelben Fingerspitzen eines Rauchers.
Ich drehte mich zu ihm um und schüttelte mir das Wasser von den Händen.
»Wir haben höchstens zehn Minuten. Also erspare ich Ihnen
den Small Talk«, begann er. »Ich glaube nicht, dass Sie der Täter sind. Schließlich habe ich Ihre Akte gelesen und auch schon von Ihnen gehört. Keine Vorstrafen. Kein Aufblitzen auf dem Radarschirm. Vor zwanzig Monaten ist Ihre Frau gestorben. Und nun soll ich annehmen, dass Sie auf einer Art … was … Rachefeldzug sind? Nein, Sie sind es nicht gewesen. Also erzählen Sie mir, was Sie wissen, und als Gegenleistung helfe ich Ihnen. Einverstanden?«
»Sie haben dieses Sprüchlein schon mal aufgesagt.«
»Nun
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