Blutiges Schweigen
ja …« Er verstummte und stand, eine Hand an der Tür, da. »Dieser Typ auf dem Foto, das Sie mir gezeigt haben. Milton Sykes. Wer ist er in Wirklichkeit?«
Ich zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.«
»Warum sieht er aus wie Sykes?«
Wieder zuckte ich die Schultern. »Das weiß ich nicht.«
»Nun, dann gebe ich Ihnen mal einen Vorsprung«, erwiderte er. »Da ich Sie für einen klugen Mann halte, gehe ich davon aus, dass Sie sich über Sykes kundig gemacht haben.«
Ich nickte und überlegte, worauf er hinauswollte.
»Also ist Ihnen auch bekannt, wie die Polizei ihm den Mord an Jenny Truman nachgewiesen hat, richtig?«
Ich setzte zu einem erneuten Nicken an, hielt aber schlagartig inne. Er sprach von ihrem Kleid. Diesen Zusammenhang hatte ich übersehen und im Durcheinander der letzten Stunden vergessen.
»Damals hat man ihr Kleid auch in seiner Küche hinter einem Brett gefunden«, antwortete ich.
»Bingo. Und nun wurde Megans Bluse hinter einem Brett in Ihrer Küche sichergestellt. Ich denke, wir können getrost davon ausgehen, dass der Typ, der Ihnen das untergeschoben hat, ein Fan von Sykes ist. Er sieht nicht nur aus wie er, sondern will auch so sein.«
»Vielleicht will der Typ wirklich so sein wie Sykes. Und
vielleicht hat er etwas mit Megans Verschwinden zu tun. Allerdings glaube ich nicht, dass er sie selbst entführt hat.«
»Warum?«
»Weil der Entführer im Jugendclub gearbeitet hat.«
Er hielt inne und musterte mich. Dann blickte er nach draußen in den Flur und schloss die Tür bis auf einen Spalt weit. »Ist das der Tipp, den Sie Phillips und Davidson gegeben haben?« Die Antwort stand mir ins Gesicht geschrieben: ja. Er verdrehte die Augen. »Warum?«
»Weil ich verarscht worden bin.«
Er trat von einem Fuß auf den anderen, schaute wieder nach draußen und sah mich dann an. »Woher wissen Sie, dass dieser Sykes-Doppelgänger nicht im Jugendclub gearbeitet hat?«
»Weil er dann eine Akte dort haben müsste. Um in einer solchen Einrichtung anfangen zu können, braucht man ein polizeiliches Führungszeugnis. Und in diesem Fall gäbe es im Jugendclub eine Akte mit seinem Foto und seinen Daten. Aber er war niemals dort.«
»Wer ist es dann, wenn nicht er?«
Ich schwieg und betrachtete ihn. »Warum sollte ich Ihnen trauen?«
»Weil ich in diesem Gebäude Ihr einziger Freund bin. Und Sie werden einen Freund brauchen. Auch wenn Sie heute Abend auf Kaution entlassen werden, bleiben die Indizien bestehen.«
»Die Kriminaltechnik wird nichts finden.«
»Sind Sie sicher?«
»Meine Fingerabdrücke sind nicht auf den Fotos.«
»Mag sein«, erwiderte Healy, begleitet von einem erneuten Blick in den Flur. »Vielleicht aber doch. Möglicherweise hat der Typ, der Ihnen eins auswischen will, an Ihrer Seife gekratzt und eines Ihrer Schamhaare in die Puppe gesteckt. Wer, zum Teufel, kann das wissen? Wenn er so gut ist, dass er
Ihnen ein Verbrechen anhängen kann, schafft er es sicher, die Sache auch zu Ende zu bringen. Wollen Sie auf das Ergebnis warten? Oder wollen Sie das Problem aus der Welt schaffen, bevor Sie wegen einer Tat verknackt werden, die Sie nicht begangen haben?«
»Aus der Welt schaffen?«
Er betrachtete mich, schwieg aber.
»Was schaffen wir hier aus der Welt, Healy?«
Noch einmal wanderte sein Blick in den Flur hinaus. Er war nervös. Stand unter Strom. Einen Moment sah es so aus, als wolle er etwas sagen, aber er räusperte sich nur.
»Warum wird kein Zusammenhang zwischen Leanne und Megan hergestellt?«
Er runzelte die Stirn. »Was soll das heißen?«
»Wir beide wissen, dass Sie in Ihrer Freizeit weiterhin in der Sache ermitteln. Sie wollen noch immer herausfinden, was aus ihr geworden ist. Warum wird Leannes Verschwinden nicht mit dem von Megan in Verbindung gebracht?«
Ein forschender Blick, aber keine Antwort.
»Sie haben sich in derselben Einrichtung engagiert. Leanne sah Megan sogar ein bisschen ähnlich. Aber das wussten Sie ja bereits. Ihnen war bekannt, dass der Jugendclub eine Gemeinsamkeit der beiden ist. Jeder hier weiß das. Warum behauptet Phillips dann das Gegenteil?«
Schweigen. Als ich ihn musterte, wurde mir klar, dass seine Nervosität nicht der Angst vor dem Erwischtwerden an sich geschuldet war, sondern eher der Befürchtung, man könnte ihn erwischen, bevor er mehr über das Schicksal seiner Tochter herausgefunden hatte. Er war von Wut, Trauer und dem Bedürfnis nach Rache getrieben. Wenn sich dieser Gemütszustand noch längere Zeit hinzog,
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