Blutjägerin (German Edition)
sie mit erwartungsvoller Miene und machte sich an die Arbeit, Sophies Wunde zu versorgen.
Sophie atmete tief durch, bevor sie schilderte, was geschehen war, seit sie den Friedhof verlassen hatte. Die tote Vampirin verschwieg sie ebenso wie die Wahrheit über den Mörder ihres Vaters.
Am Ende ihrer Geschichte schüttelte Dora den Kopf. „Ich weiß nicht, wo du da hineingeraten bist. Aber das mit deinem Vater tut mir leid.“ Dora griff nach Sophies Hand. „Wenn ich dir irgendwie helfen kann …“
„Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich ein paar Tage hierbleibe, zumindest, bis ich mit diesem Vermont gesprochen habe? Diese Typen wissen, wo ich wohne.“
„Natürlich, du weißt, dass du jederzeit willkommen bist. Dein altes Zimmer steht noch leer.“
„Ich danke dir.“
„Und dieser Vermont ist vertrauenswürdig?“
„Ich denke schon.“ Er sah vor allem zum Anbeißen aus, genau, wie sie sich einen Mann vorstellte. Wie unglaublich ruhig und sicher sie sich in seiner Nähe gefühlt hatte. Zugegeben, völlig unpassend für diese Situation. Schließlich war ihr Vater getötet worden. Aber Gerald hatte etwas in ihr ausgelöst, das sie nur schwer begriff, ein Gefühl von Zuneigung und tiefer Vertrautheit. Auch jetzt löste der Gedanke an ihn den Wunsch aus, ihn wiederzusehen und erneut beschlich sie das Gefühl, ihm schon einmal begegnet zu sein. Sie kam einfach nicht darauf, wo oder wann das gewesen sein sollte. Doch im Moment hatte sie andere Sorgen und verwarf den Gedanken.
Nach einer Tasse Tee zog sich Sophie in das Zimmer zurück, in dem sie ein halbes Jahr lang gewohnt hatte. Es war einer der ersten Schritte auf ihrem Weg in die Freiheit gewesen. Der Raum war noch so, wie sie ihn vor drei Jahren verlassen hatte. Karg, aber funktionell. Sophie hatte Dora im Krankenhaus kennengelernt. Damals hatte sie als Reinigungskraft dort gearbeitet. Trotz eines Altersunterschieds von neun Jahren schlossen sie innige Freundschaft. Gerne erinnerte sich Sophie an die Zeit zurück. Ihr Drang nach Freiheit und der Wunsch, auf eigenen Beinen zu stehen, hatte sie bewogen, sich dennoch etwas Eigenes zu suchen.
Als sie ins Bett kroch, brachen die Gefühle aus ihr hinaus und sie weinte um ihre Mutter, ihren Vater, sich selbst, bis der Schlaf sie übermannte.
Sie fand sich in einem Traum wieder, den sie oft träumte. Vor ihr lag die Tür zu einem Hintereingang des Wiener Burgtheaters und ein Gefühl sagte ihr, dass die Wahrheit über die Erinnerungen an Gerald hinter dieser Tür lag. Doch wie jedes Mal, wenn ihr Unterbewusstsein sie hierher führte, war diese Tür fest verschlossen und so sehr sie daran rüttelte und zog, sie wollte sich nicht öffnen lassen.
In voller Fahrt raste Gerald in seinem silbergrauen Shelby Mustang in die Einfahrt der Gerichtsmedizin. Die Schranken zur Tiefgarage gingen bereits auf, als er sich näherte. Er preschte weiter, ohne vom Gas zu gehen, die Abfahrt hinunter und parkte zielsicher auf seinem Stammplatz. Er hatte weniger als fünf Minuten quer durch Wien gebraucht, nachdem er von Clement erfahren hatte, was mit Linus Leclerc geschehen war.
Clement und er stiegen aus und eilten zum Lift. Gerald schob den Schlüssel in das Tastenpult und schaltete den gesperrten Trakt unterhalb der Tiefgarage frei, dessen Existenz nur wenigen bekannt war.
Kälte und der Geruch von Formaldehyd schlugen ihnen entgegen, als der Lift anhielt und sich die Türen zu einem hell beleuchteten Flur öffneten. Die Wände waren mit poliertem Edelstahl verkleidet und der Boden mit schwarzem Marmor gefliest. Der Korridor führte zu den Türen links und rechts, hinter denen die Arbeitsräume der von der Agentur geführten geheimen Abteilung der Gerichtsmedizin lagen. Nur wenige Personen hatten hier Zugang. Außer den Agenten und den beiden Gerichtsmedizinern, die für die Agentur arbeiteten und Vampire wie menschliche Opfer sezierten, war es nur André Barov und den restlichen Mitgliedern des inneren Rates gestattet, die Räumlichkeiten zu betreten.
Auf der Fahrt hierher hatte er sowohl André Barov als auch Mathis Leclerc von dem Überfall auf den Leichenwagen berichtet. Leclerc hatte sich seinerseits auf den Weg gemacht.
André wartete bereits an der Tür zum Untersuchungsraum drei, als Clement und Gerald eintrafen.
„Habt ihr ihn schon gesehen?“, fragte Gerald.
André nickte. „Ein sauberer Schnitt. Der eines Jägers mit geübter Klinge, wenn ihr mich fragt.“
Sie betraten den Raum. Doktor Roth, der
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