Blutjägerin (German Edition)
Die zur Beruhigung formulierten Gedanken halfen nicht. Woher kamen die Schritte, das Schnauben?
Sophie rannte einige Meter voran und stoppte abrupt. Zwischen den Bäumen nahm sie die Bewegung erneut wahr. Nein, das war kein Tier, sondern etwas anderes. Etwas, an das sie nicht denken wollte. Die bloße Vorstellung erfüllte sie mit Wut, versetzte ihr einen schmerzhaften Stromstoß, bei dem sich ihr Magen zusammenkrampfte. Dennoch sprach vieles dafür, dass sie sich kaum irrte. Sie hatte zu lange an der Seite ihres Vaters gestanden und er hatte sie gelehrt, die Zeichen zu deuten. Jedoch hatte sie nie einem dieser Vampire gegenübergestanden. Seit Jahrzehnten verbargen sie sich und nur wenige ließen ihre Tarnung fallen, offenbarten ihr wahres Ich. Warum musste dieses Exemplar gerade heute Abend mit dieser Tradition brechen? Ihre Finger umklammerten die Handtasche, öffneten den Verschluss.
Lange hatte sie ihren Vater für verrückt gehalten. Manchmal hasste sie ihn sogar für das, was er war, was er tat. Es hatte ihre Kindheit geprägt, ihr das Leben zur Hölle gemacht und erst, als ihre Mutter bei einem Vampirangriff ums Leben gekommen war, hatte Sophie begriffen, dass ihr Vater nie gelogen hatte. Sie spähte vorsichtig in alle Richtungen und lief weiter. Wo zur Hölle verbarg sich diese Bestie?
Anders als in den Mythen schliefen Vampire nicht in Särgen, zeigten keine Furcht vor Kreuzen und Knoblauch und es dauerte beachtlich länger als einen Lidschlag, sie durch Sonnenlicht zu töten. Dieser Vorgang dauerte Stunden, um genau zu sein. In Sophies Augen waren sie nichts weiter als Parasiten, die sich vom Blut von Mensch und Tier ernährten. Ein solcher Parasit war ihr nun anscheinend auf den Fersen, und das an einem Ort, an dem sie ihn am wenigsten vermutete.
Erneut blickte sie sich um. Sie beschleunigte ihre Schritte, auch wenn sie wusste, wie wenig ihr das helfen würde, einem Vampir zu entkommen.
Der Parkplatz kam in Sicht. Die Geräusche der nahenden Gefahr verstummten plötzlich. Das beunruhigte Sophie noch mehr. Sie glaubte zu spüren, wie er sie beobachtete, den richtigen Moment abwartete, um aus dem Versteck zu stürzen, wenn genug Adrenalin durch ihre Adern floss, dessen Geschmack für diese Parasiten wie eine Droge wirkte.
Vor ihr lag eine dunkle Wegstelle. Eine Laterne war ausgefallen und sie wusste, wann er zuschlagen würde. Ganz so einfach würde sie es der Bestie nicht machen. Sie hatte zwar nicht die Erfahrung ihres Vaters, aber sein Unterricht und seine Beharrlichkeit, ihr einzubläuen, immer einen seiner speziellen Dolche bei sich zu haben, erfüllten Sophie trotz ihrer Angst mit etwas Hoffnung.
Sie griff in ihre Handtasche, tastete nach der hölzernen Dolchscheide und zog die zierliche Waffe, die nicht größer als ein Brieföffner war, aus der Schutzhülle. Wie oft hatte sie den Dolch achtlos zu Hause in der Schublade gelassen. Heute hatte sie ihn eingepackt für den Fall, dass ihr Vater sie danach fragen würde. Anstatt nur eine sinnlose Diskussion zu verhindern, würde dieser Dolch ihr nun Schutz bieten.
Kaum hatte sie die dunkle Stelle erreicht, tauchte die Bestie auf. Obwohl Sophie den Angriff erwartete, erschrak sie, als der Blutsauger wie aus dem Nichts erschien. Groß, schlank und weiblich, mit langen schwarzen Haaren, bernsteinfarbenen Augen und einem Blick, der die Arroganz der Überlegenheit spiegelte. Ihr Gesicht war mit Brandnarben übersät und sie kräuselte ihre pink geschminkten Lippen. Lange spitze Fänge traten hervor.
„Was willst du von mir?“ Sophie brachte all ihren Mut auf, um selbstbewusst zu klingen. Sie blickte der Frau nicht in die Augen und wagte kaum, zu atmen.
„Kannst du dir das nicht denken?“ Mit hochhackigen Stiefeln und in einen heruntergekommenen schwarzen Pelzmantel gehüllt, kam sie auf Sophie zu, die Hände in die Hüften gestemmt. „Dein Duft … du riechst so verlockend, ich konnte nicht widerstehen.“
Die Vampirin sog demonstrativ die Luft ein und stolzierte wie ein Model auf sie zu, umkreiste Sophie und schmiegte sich immer wieder an sie.
Ein angenehmes Aroma nach orientalischen Gewürzen und Moschus stieg in Sophies Nase. Sofort merkte sie, wie dieser Duft von ihr Besitz ergriff, ihre Sinne umspannte wie Spinnweben das Opfer in einem Netz. Es musste der Vampiratem sein, von dem ihr Vater erzählt hatte, eine Art Lockstoff, den einige Blutsauger verströmten, um ihre Opfer gefügig zu machen.
Sophie hielt die Luft an und ging ein Stück
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