Blutjägerin (German Edition)
oder einer der beiden Jäger hatte es ihm erzählt. Sie dachte an das Stück Papier, das sie vor Tagen in Wilhelms Wohnung gefunden hatte. Hatte er den Orden verraten?
Sie ging in Wilhelms Zimmer. Es war noch penibel aufgeräumt und auch das Stück Papier lag an derselben Stelle. Dominik hatte von einem Experiment gesprochen, für das Jonathan das Blut eines Reinblüters brauchte und nur Wilhelm hatte auf ihre Anordnung, den Gefangenen im Kerker geheim zu halten, nicht geantwortet.
„Dieser Dreckskerl!“
Sein Verschwinden, seine seltsam verschlossene Art, einfach alles an ihm war verdächtig. Vermutlich war sogar Julius’ Tod eine Folge von Wilhelms Verrat.
Der Schmerz in ihrem Kopf pochte und sie kämpfte gegen eine Welle der Müdigkeit an. Allmählich wuchs ihr die ganze Sache über den Kopf. Ihr Leben war ein einziges Durcheinander. Das kleine Einzelunternehmen, das sie gegründet und mühsam aufgebaut hatte, war völlig ins Hintertreffen geraten. Sie hatte Termine vernachlässigt und Mails nicht beantwortet. Aber zumindest das war dank des Erbes im Moment nebensächlich. Vielmehr plagten sie die unzähligen offenen Fragen, ihre Beziehung zu Gerald, den ihr Traum als Mörder ihrer Mutter entlarvt hatte, der Vampirclan, der sie auf jedem Schritt verfolgte und nun auch noch der Verrat innerhalb des eigenen Ordens.
An Dora und Meike wagte sie gar nicht erst, zu denken. Wie sollte sie das alles allein bewältigten? Und wo sollte sie beginnen? Sie wusste auch nicht, was dieser Assassine zu bedeuteten hatte und ob oder wann er wieder auftauchte und sie bedrohen würde.
Als sie aufstand, schwindelte ihr. Der Raum begann, sich zu drehen. Sie atmete tief durch. Sie durfte jetzt nicht aufgeben. Das lag nicht in ihrer Natur. Sie musste so lange kämpfen, bis sie alle Probleme bewältigt hatte und mit der Versammlung in Venedig würde sie beginnen.
Wankend schleppte sie sich in den Aufenthaltsraum. Sie wollte in ihr Zimmer, wenigstens ein paar Stunden schlafen, um wieder zu Kräften zu kommen.
Da stand er plötzlich vor ihr.
Es hatte eine Weile gedauert, bis sich Gerald endlich im Dschungel des Netzes zurechtgefunden hatte und mithilfe diverser Umgehungsprogramme in einige Datenbanken eingedrungen war, die ihm Aufschluss geben sollten. Schließlich gelang es ihm, eine Liste aller Notare zu erstellen und der von ihnen durchgeführten Aufträge. Wie erwartet fand er weder die Namen Richter noch Lacoste unter den Klienten, dafür aber einen Herrn Julius, der ihm nur allzu bekannt war. Anteile des Bestattungsunternehmens hatten vor wenigen Tagen den Besitzer gewechselt von einem Gottfried Simon zu einer Theresa Max. Ein euphorisches Gefühl machte sich breit. Er durchsuchte die gesamte Liste und fand zehn Liegenschaften, die in den Besitz von Theresa Max übergegangen waren. Er musste jeden dieser Orte durchsuchen. Zuvor aber wollte er der Kanzlei von diesem Doktor Seewald einen Besuch abstatten, um sicherzugehen.
Der neue Tag brach an und die Sonne ging bereits auf. Obwohl er seinen Bruder finden musste, konnte er noch nicht wieder raus. Sein Körper hatte sich noch nicht von der überhöhten Strahlendosis erholt und tot würde er seinem Bruder am wenigsten nützen. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als den Tag zu ruhen und abzuwarten, ob er wollte oder nicht.
„Was gefunden?“, fragte Alexandre, der aus dem Büro kam, als sich Gerald auf den Weg zu seiner Unterkunft machte.
„Scheint so. Ich werde heute Nacht diesen Notar aufsuchen. Würdest du bitte die Adressen auf diesem Papier in das Navigationssystem meines Wagens übertragen?“
Alexandre nickte. „Ich werde mich darum kümmern.“
„Wenn etwas sein sollte, ich bin in meiner Unterkunft.“ Er hoffte, auf der richtigen Spur zu sein, dann konnte er Alexandre von seiner Bürde befreien und sich selbst wieder um seine Aufgaben kümmern.
„Du wagst es!“, herrschte Sophie den alten Mann an. „Nach allem, was du getan hast, kommst du noch hierher, Wilhelm?“
Sichtlich erschreckt von der rüden Art wich Wilhelm zurück und starrte sie aus großen Augen an.
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“
„Du warst es also nicht, der all diese Dinge getan und unseren Orden verraten hat?“
„Was immer du meinst, meine Antwort ist nein.“ Er hielt seine Hände abwehrend vor seinen Körper, als hätte er Angst, sie würde jeden Augenblick über ihn herfallen.
„Zuerst das Video, jetzt der Vampir, den wir gefangen hatten, und was soll die
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