Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutkirsche

Blutkirsche

Titel: Blutkirsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Weitbrecht
Vom Netzwerk:
Eltern sind streng!“
    „Du hast sie aber nach Hause gebracht?“
    „Natürlich, was denkst du denn? Schließlich bin ich dein gut erzogener Sohn. Ach übrigens, Papa war heute hier.“
    „Wie, Papa? Einfach so?“
    „Ja, einfach so, heute Abend. Ich ging mal zwischendurch nach Hause und hab’ meine Gitarre zurückgebracht.“
    „Was wollte dein Vater denn?“
    „Weiß nicht! Hat nur kurz mit mir geredet und ist dann im Bad verschwunden. Danach ist er wieder abgehauen. Da geh’ ich auch jetzt hin.“
    „Wohin?“
    „Na, ins Bad!“
    Anne überlegte: Günther kam unangemeldet. Warum? Eine plötzlich auftretende Sehnsucht nach seinem Sohn? Wohl eher nicht. Außerdem hatten sie und Günther ausgemacht, dass er vor seinen Besuchen dies mit ihr absprechen musste.
    „Ma, hast du meine Zahnbürste weggeworfen?“, fragte Julian, der inzwischen seinen Schlafanzug angezogen hatte und in der Küchentür stand, in der Hand seinen Zahnbecher mit der Aufschrift ,Julian‘.
    „Nein, wieso sollte ich? Ich bin heute den ganzen Tag nicht zu Hause gewesen. Außerdem hätte ich dir dann eine neue hingelegt! Dolores kann es auch nicht gewesen sein, sie macht so etwas nicht.“
    Anne runzelte die Stirn. Was hatte der Besuch von Günther mit Julians Zahnbürste zu tun? Er hatte doch nicht ... Aber warum gerade jetzt?
    Anne ahnte Schlimmes. Aber sie konnte im Augenblick sowieso daran nichts ändern. Sie würde es früh genug noch erfahren.
    „Schau doch mal im Schränkchen unter dem Waschbecken nach, ob du da noch eine Zahnbürste findest. Ansonsten nimm die elektrische, da gibt es genügend Aufsätze“, rief Anne ihrem Sohn hinterher, der brummend wieder im Bad verschwunden war.
    Der Appetit war Anne vergangen. Sie leerte den Rest des Weines in ihr Glas und ging ins Schlafzimmer.
     
    |65| Am Festzelteingang hing ein großes Schild mit der Mitteilung, dass der letzte Tag des Kirschblütenfestes am Sonntag wegen des Todesfalles des ersten Vorsitzenden ausfiel. Wilma seufzte, das erleichterte ihr Vorhaben ungemein. Keine Menschenseele zu sehen! Gut so!
    Sie lehnte ihr Fahrrad an einen Baum. Das untere Tor am Wald vor Harry Kohls Parzelle versiegelte eine Polizeiplakette. Der Zaun dort war niedriger als sonst. Dazwischen wucherte zwar eine Brombeerhecke, aber das würde sie schaffen, dachte Wilma und kletterte im Schein ihrer Stirnlampe hinüber. Die Dornen pieksten und rissen ihre Unterarme auf, aber sie konnte nicht mehr zurück, weil ihr T-Shirt und die Hose sich in dem Gestrüpp verhakt hatten. Nach mehreren Versuchen riss sie sich mit einem Ruck los.
    Der Mond schien. Über dem Gebiet hing eine gespenstische Ruhe, bis ein Käuzchen rief. Dann strich Wind durch die Bäume, Blätter raschelten, ein Siebenschläfer huschte an ihr vorbei. Seine Augen funkelten durch die Nacht. Die Schrebergärtner hatten die Anlage verlassen, selbst in den Stückle, in denen sonst im Schein einer Petroleumlampe gefeiert wurde, herrschte nun Stille.
    Den ganzen Samstagnachmittag hatte sie immer wieder durch die Ritzen der Laubenfensterläden gespickt. Kurz nachdem der letzte Polizist das Areal verließ und sie hörte, wie er die Neugierigen und Zeitungsleute verscheuchte, traute sich Wilma aus ihrer Hütte. Genau in diesem Augenblick entdeckte Rösler sie und rief ihr zu: „Wartet se mol!“
    Obwohl Wilma überhaupt keine Lust hatte, sich mit dem Gartennachbarn zu unterhalten, gab sie sich in das Unvermeidliche drein, auch weil es bestimmt merkwürdig ausgesehen hätte, wenn sie abweisend blieb und kein Schwätzchen hielt. Rösler erzählte ihr aufgeregt, wie er Harry gefunden hatte, und dass die Polizei alles nach dem Mörder abgesucht hätte. Eine Leiche auf dem Mist würde schließlich nicht jeden Tag auftauchen. Und er sei ein wichtiger Zeuge. „Do henn Sie ebbes verpasst! Sie send sicher grad erscht komme?“
    Wilma bejahte und rief aus: „Wie schrecklich, furchtbar! Wissen Sie Genaueres? Hat die Polizei etwas gefunden?“
    Albert Rösler schüttelte den Kopf: „I woiß net. Die henn mi nemme neiglasse!“ Aber auf jeden Fall müsse er noch mal zur Aussage ins Präsidium, das kenne er aus dem Fernsehen.
    Von Rösler bekam sie keine genaue Auskunft, was die Polizei entdeckt hatte, überlegte Wilma und sagte: „Tut mir leid, aber ich habe |66| Nachtschicht und muss nun gehen. Eigentlich bin ich nur vorbeigekommen, weil ich meinen Geldbeutel im Häusle liegen gelassen habe. Sie können mir ja ein anderes Mal alles erzählen.“
    Rösler

Weitere Kostenlose Bücher