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Blutkirsche

Blutkirsche

Titel: Blutkirsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Weitbrecht
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werden. Wenn dieser Zeitpunkt kam, dachte wahrscheinlich kein Mensch mehr an diesen läppischen Einbruch.
    Als Mike seinen Vorsitzenden schriftlich und anonym auf die Falschbuchungen und Unterschlagungen des Vereinsgeldes hinwies, ließ sich Harry ihm gegenüber nichts anmerken, obwohl er sehr wahrscheinlich schnell erkannt hatte, wer der Urheber des Schreibens war. Harry würde dies nicht der Polizei melden, da war sich Mike sicher, sonst würde er die Unregelmäßigkeiten und seine Bereicherung auf Kosten des Vereins und der Mitglieder auffliegen lassen. Als ob er es nicht geahnt hatte: Die fünfhundert Euro Eintrittsgebühr der neuen Pächter behielten Harry und der Kassierer Theisen für ihre persönlichen Aufwendungen ein. Seit einiger Zeit gab es aber keine neuen Mitglieder. Nun flossen die Gelder anders, wie Mike beim Durchsehen der Konten erkennen konnte. Es gab Falschbuchungen der Einnahmen aus der Festkasse, angeblich entstand seit Jahren ein Minus. Geld wurde für Ausgaben wie: Pkw-Winterreifen – Dienstfahrzeug – 2000 Euro überwiesen. Ebenso für Dienstkleidung. Ha, dachte Mike, vielleicht für grüne Schürzen oder Joppen? Aber die kosteten keine dreihundert Euro!
    Nachdem Harry Kohl Mikes Brief erhalten hatte, herrschte fortan so etwas wie ein Waffenstillstand. Es kamen keine Abmahnungen mehr, nur die braunen stinkenden Hinterlassenschaften zeugten seither von Harrys Rache.
    |112| Erst später, beim erneuten Durchsehen der Unterlagen für seinen Rechtsstreit mit der Firma, wurde Mike bewusst, dass seine Handabdrücke bei der Einreise in die USA gescannt worden waren. Aber auf die Idee, dort nachzufragen, musste erst mal jemand kommen! Bisher hatte sich noch niemand von der Polizei bei ihm gemeldet und so hoffte er, dass es auch dabei bleiben würde. Aber nun war Harry tot, vielleicht wurde jetzt eins und eins zusammengezählt!
     
    Mike kam gerade aus der Dusche, als seine Türglocke bimmelte.
    Noch nicht ganz abgetrocknet, nur mit einem Handtuch um die Lenden geschlungen, öffnete er die Haustür.
    „Oh, Entschuldigung, ich dachte es sei der Paketdienst. Ich erwarte eine Sendung von Amazon“, sagte Mike überrascht.
    Vor seiner Tür stand eine attraktive Frau mit rotbraunen Haaren und leicht sonnengetöntem Teint, auf dem lustige Sommersprossen prangten, neben ihr ein junger Mann, der einen Ausweis hochhielt. Mal wieder die Zeugen Jehovas, und dann so unverschämt früh, ärgerte sich Mike und erinnerte sich mit Schrecken daran, dass er die letzten Missionare der Sekte nur mit Mühe losgeworden war.
    „Guten Morgen. Kripo Stuttgart.“ Während Anne den halbnackten Mann von oben bis unten musterte und das Ergebnis bewunderte, spürte sie, dass sie rot wurde.
    Fast im gleichen Augenblick riss sie sich wieder zusammen. Ein Zeuge, vielleicht ein Verdächtiger stand vor ihr, und sie benahm sich wie ein pubertierender Teenager, während ihr Assistent dabei war und hoffentlich nichts von ihrem unprofessionellen Auftreten bemerkte.
    „Können wir uns mit Ihnen unterhalten?“, fragte Marco und fügte hinzu: „Vielleicht ziehen Sie was über!“
    „Ja? Was gibt es?“ Mike bat die beiden Polizeibeamten herein.
    Er ging in sein Schlafzimmer und zog rasch eine Jeans und ein T-Shirt über die noch feuchte Haut.
    Währenddessen schaute Anne sich um. Eine Wohnung sagte viel über ihren Besitzer aus. Hier residierte eindeutig ein Liebhaber asiatischer Kunst und fernöstlichem Interieur. In dem minimalistisch eingerichteten Raum lagen Sisalmatten statt Teppichen, ein Sofa gab es nicht, stattdessen luden flache Sitzkissen zum Ausruhen ein. Davor war ein niedriger Tisch angeordnet, auf dem eine schwarze Teekanne und zwei irdene Becher standen. Eine Schale mit einem winzigen Reisstrohbesen und verschiedene Gegenstände, die für eine Teezeremonie gebraucht wurden, |113| ergänzten das Ensemble. Zwei vergoldete Buddhastatuen, die Anne bis zur Schulter reichten, bewachten den Raum. Bonsais, kunstvoll geschnitten und wahrscheinlich schon sehr alt, saßen in flachen Keramikschalen. Lampen aus Reispapier in den Ecken und an der Decke dienten als Lichtquellen. Auf einer aus Ebenholz gefertigten Truhe standen drei etwa zwanzig Zentimeter hohe Buddhas aus Jade. In dem gleichen Grün strahlte die Wandfarbe. Aus der Stereoanlage ertönten Klänge einer japanischen Zither.
    Wahrscheinlich schläft er auf einer Tatami oder einem Futon! Wäre nur konsequent! Keine Bücher, keine Bilder, kein Fernseher. Vielleicht im

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