Blutkirsche
zogen am Himmel wieder dunkle Wolken zusammen. Marco preschte mit seinem Motorrad heran. „Ganz schön mutig“, sagte Anne und deutete nach oben.
„Hoffentlich hält es!“, brummte Marco. „Langsam habe ich vom Regen und dem schwülen Wetter die Schnauze voll. Wenn ich fahre, geht’s ja noch, aber ansonsten komme ich mir in der Lederkluft wie in einer Sauna vor!“
Im Labor rochen die chemischen Mittel ähnlich wie in einem Krankenhaus, sie vermischten sich mit starkem Kaffeeduft.
„Grüß Gott! Was haben wir?“, fragte Anne den Beamten. Der Kriminaltechniker besaß weder vom Äußeren noch vom Berufsbild her wenig Ähnlichkeit mit den smarten Typen aus der amerikanischen CSI-Serie, die nicht nur im Labor Beweismittel untersuchten, sondern zusätzlich Verhöre führten, bei Hausdurchsuchungen ermittelten und verhafteten.
Mauser macht seinem Namen alle Ehre, dachte Anne. Er trug einen grauen Arbeitskittel. Seine kleinen grauen Augen blickten wach hinter den Brillengläsern hervor. Flink und akribisch sortierte er die Beweise auf einem Tisch.
„Hier, sehen Sie selbst“, bat er Anne und zeigte auf das Mikroskop. Anne sah durch die Okulare und dann zu Mauser, der die Befunde erläuterte.
„Das ist der Faden eines schwarzen Mikrofasergewebes, das sehr wahrscheinlich zu einem schwarzen Jogginganzug, einer Sporthose oder Freizeitjacke gehört. Die Marke ist bis jetzt nicht zu ermitteln. Gehört aber nicht zu den bekannten hochwertigeren Exemplaren. Auf dem zweiten Objektträger liegen Faserreste eines blauen Demins, wir konnten sie dem Stoff und der Indigofärbung einer Jeans eines amerikanischen |156| Herstellers zuordnen. Wir haben das Foto der Jeansfaser an die Firma geschickt, und diese nannte uns das genaue Fabrikat. Es hat keinen Reißverschluss, sondern Knöpfe, wie die ursprünglichen amerikanischen Arbeitshosen.“
Anne rekapitulierte: „Also ein Täter, der eine amerikanische Jeans mit Knöpfen und dazu eine schwarze Sportjacke trug, oder zwei Täter, einer in Jeans und der andere in einem schwarzen Jogginganzug aus Mikrofaser. Wir brauchen die Adressen von allen Verkaufsstätten der infrage kommenden Jeans und Sportbekleidung. Vielleicht wurde ja mit einer Kreditkarte bezahlt und wir haben einen Namen.“
„Geht klar, Chefin.“ Marco notierte sich die Anweisung.
„Wir haben ein langes dunkles und ein lila gefärbtes Haar auf der Boxershorts des Opfers gefunden. Beide sind wegen ihrer unterschiedlichen Struktur nicht von ein und demselben Menschen“, berichtete Mauser. „Die Untersuchung des lila Haares gestaltete sich schwierig, da durch eine unsachgemäße Färbung die Haarstruktur so verändert wurde, dass wir erst nach mehreren Durchläufen den eindeutigen Beweis erbringen konnten: Es liegen hier zwei Haartypen vor.
Bei dem dunklen Haar fehlte die Wurzel, also war eine DNS-Bestimmung unmöglich. Aber bei dem gefärbten Haar befand sie sich noch daran und wir konnten die acht Positionen des genetischen Codes knacken. Eindeutig weiblich.“
Marco pfiff erstaunt auf, und Anne sagte überrascht: „Aha!“ Sie fasste zusammen: „Die Laborergebnisse ergänzen das Ergebnis der Autopsie und unterstützen die Hypothese von zwei Tätern. Davon einer mit Sicherheit weiblich. Wo haben wir erst vor kurzem eine lila gefärbte Haarsträhne gesehen? Natalie Kohl! Günther Wöhrhaus’ weizenblondes Stoppelhaar fällt aus, Röslers und Tressels graue Haare und Frau Möhrles aschblonde ebenso.
Das dunkle lange Haar kann von einer Frau stammen, auch das von Wilma Fiori ist lang und dunkelbraun, aber es gibt natürlich auch Männer mit langem Haar.“
Plötzlich fiel Anne der Lagerfeldzopf von Fink ein. Natalie und Fink! Wie passte das zusammen? Natalie und Fiori? Welche Konstellation war die richtige? Und welches Motiv verband sie? Etwas an Wilma Fiori verursachte bei Anne Unbehagen. Ihrem Bauchgefühl konnte sie bisher |157| während den Ermittlungen immer vertrauen. Ihr fiel ein, dass Wilma Fiori eine schwarze Jogginghose während der Vernehmung in ihrem Garten trug. Konnte es dieselbe sein? Aber hätten sie dann nicht das Blut sehen müssen?
„Auf den Boxershorts des Opfers stellten wir eingetrocknete Reste von Ejakulat sicher.“
„Sperma des Toten?“, fragte Marco.
Der Techniker bejahte. Es sei die DNS des Ermordeten. Anne überlegte: Hatte das Opfer vor seinem Tod noch Geschlechtsverkehr gehabt? Und wenn ja, mit wem? Oder war die Flüssigkeit so ausgetreten?
„Wir fanden an der
Weitere Kostenlose Bücher