Blutkirsche
sie sich bei Jochen ausweinte, trotz ihrer Sorgen mit Günther und ihrer Mutter.
„Vielleicht solltest du ein wenig ausspannen! Hättest du Lust auf Mexikanisch? Ich koche Samstagabend. Nur ein kleines Essen!“, fragte Jochen.
Anne überlegte ein paar Sekunden. Vielleicht musste sie tatsächlich Abstand von allem gewinnen, und Mexikanisch hatte sie schon lange nicht mehr genossen.
Und was schien unverfänglicher als ein Menü, bei dem Jochen mit der Zubereitung beschäftigt war? Sicher gab es auch andere Gäste. Jochens Abendessen waren legendär und immer aufwändig gestaltet.
„Ja gerne“, hörte sich Anne sagen. „Soll ich was mitbringen?“, fragte sie.
Jochen schmunzelte. „Nein, ich habe alles, bring nur dich mit, so um acht Uhr!“
|150| Marco Schneller stürmte herein. Er wirkte verschwitzt und hektisch. Sein Motorradhelm tropfte und die Motorradstiefel quietschten vor Nässe. Neben seinem Rucksack schleppte er auch den Regenkombi mit sich und hinterließ eine Wasserspur.
„Was ist denn los?“, fragte Anne besorgt. „Mein Sohn hat Dreimonatskoliken, jedenfalls sagt das der Kinderarzt. Meine Mutter ist schon ganz verzweifelt. Heute Nacht habe ich den Jungen herumgetragen, bis die Blähungen aus dem Bauch knatternd raus sind.“
„Ach du herrje!“ Anne bedauerte ihren Assistenten. Auch Julian hatte drei Monate unter heftigen Bauchschmerzen gelitten, sie konnte nachfühlen, wie es Marco ging.
Berger und der neue, zukünftige Leiter betraten zusammen das Dezernatszimmer.
„Grüß Gott! Herr Sommer!“ Berger wandte sich erst Anne und dann Marco zu. „Anne, darf ich dir – Herr Schneller, darf ich Ihnen Herrn Münch vorstellen? Ab nächstem Monat der neue Chef.“
Anne musterte diskret den Neuen. Sieht gar nicht so übel aus. Ein gut aussehender, sportlicher Typ, trägt keinen Ehering, wie Anne sofort auffiel. Aber das sagte nichts aus.
„Grüß Gott, einen guten Morgen, schön dass wir uns kennenlernen. Wie Sie wissen, komme ich von der Dienststelle aus Göppingen, die kleiner als die hiesige in Stuttgart ist. Deshalb bin ich hier auf die Herausforderungen gespannt und freue mich auf unsere Zusammenarbeit.“ Münch gab jedem die Hand.
„Zu welchen Ergebnissen ist deine Soko inzwischen gekommen, Anne?“, fragte Berger, der am Tisch Platz genommen hatte. Auch Münch setzte sich nun. Er legte einen Block vor sich und wollte alles notieren. Er sah zu Anne aufmunternd hin.
Anne erläuterte die bisherigen Untersuchungen anhand von Fotos des Tatortes und der Beweismittel. „Also, wir haben Folgendes veranlasst: Wir lassen eine mögliche Tatwaffe, eine Hacke, auf Fingerabdrücke und Blutspuren untersuchen. Die zweite Tatwaffe, eine Axt oder ein Beil, ist noch nicht gefunden worden, da muss die Spurensicherung nochmals durch alle Gärten, was sicher einige Zeit in Anspruch nimmt, da es sich um ein großes Gebiet handelt“, erklärte Anne.
„Auch müssen wir noch Wohnungen durchleuchten. Der Geschädigte Kohl hat viel Blut verloren, es könnte Flecken auf der Kleidung der Täter hinterlassen haben. Der fehlende Schuh des Getöteten wie auch eine Tatwaffe |151| sind in einem Nachbargarten aufgetaucht und werden untersucht. Eine dem Getöteten zugefügte Verletzung ist nicht die Todesursache. Bei Überprüfung des Eintrittswinkels der Hacke und nach Messungen am Tatort konnte festgestellt werden, dass zumindest ein Täter kleiner als Kohl sein muss.
Es gibt einen ersten Verdächtigen. Was wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wissen, ist, dass es zwei Täter gab, die auf Kohl einschlugen. Zwei Täter sind an sich ungewöhnlich, in den seltensten Fällen gibt es ein Tandem, vor allen Dingen bei einer Beziehungstat.“
Der Staatsanwalt nickte bestätigend. Berger schüttelte zweifelnd den Kopf, nur Münch wirkte unbeteiligt.
„Wir verfolgen mehrere Spuren“, fuhr Anne fort. „Harry Kohl war in merkwürdige Geschäfte verwickelt. Auf sein Konto sind höhere Summen über eine Bank auf den Kaiman-Inseln eingezahlt worden. Leider beruft sich das Geldinstitut auf das Bankgeheimnis, deshalb ist der Absender nicht zu ermitteln. Auch das persönliche Umfeld des Getöteten wird durchleuchtet. Die Untersuchung des Laptops und des Handys hat da einiges zutage gefördert. Außerdem überprüfen wir die Alibis der Gartennachbarn. Wenn die DNS-Spuren von der Kleidung des Geschädigten gesichert sind, können wir Vergleiche mit den genetischen Fingerabdrücken der Verdächtigen machen.
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